Planung
Altbekannte
Straßen. Asphalt, über dem vor zweieinhalb Jahren die Hitze schwebte. Damals
waren meine Schwester und ich Seite an Seite unterwegs zum Landesprüfungsamt.
Heute gehe
ich im Sprühregen, den Schal eng um den Hals gewickelt, allein durch die
Straßen.
Angekommen
lege ich der Frau hinter dem Tresen meinen Antrag in die Hand.
Wieder mal
ein kleiner Schritt getan. Ein kleiner Schritt auf dem Weg in eine Zukunft, in
der irgendwann alles besser werden soll. „Nach dem Studium“, schießt es mir
durch den Kopf. Das jedenfalls war die Überzeugung in der Klinik. Nicht meine
eigene. Aber vielleicht muss man sich manchmal einfach auf andere Menschen
verlassen.
***
Ein Plan
muss her.
Es geht so einfach
nicht mehr.
Ich war heute
Morgen im Labor vor meinem Mikroskop zwischendurch echt am Ende.
Im Moment
läuft hier alles so ein bisschen nach Gefühl. Es fühlt sich einigermaßen okay
für mich im Labor an und es ist eine Umgebung, in der es mir normalerweise viel
besser, als bei mir in der Wohnung oder in irgendwelchen universitären
Veranstaltungen geht.
Deshalb bin
ich auch ständig da. Sinn hat es unterdessen nicht mehr so richtig. Wenn wir
nächstes Jahr wirklich das Mikroskop bekommen sollten, dann ist alles was ich
gerade mache ohnehin für umsonst und wenn wir es nicht bekommen, dann habe ich
mit dieser Arbeit insgesamt trotzdem schon so viel Zeit in den Wind geschossen,
dass es eine Woche mehr oder weniger einfach nicht macht.
Wie ich
gestern schon gesagt habe – ich mache im Moment den Plan von zwei Tagen in
einem Tag und das funktioniert natürlich nicht, führt jeden Abend zu Frust und
die Examensvorbereitung bleibt auf der Strecke.
Meine
Therapeutin würde mir meine derzeitige Prioritätensetzung um die Ohren hauen.
Ich habe
deshalb entschieden, die Sache mit dem Labor ruhiger werden zu lassen. Morgen
werde ich nicht hinfahren und dann werde ich Montag nochmal kommen, weil da die
neuen Herzen im Labor erwartet werden und Mittwoch nochmal und dann war es das
bis Mitte April.
Es fällt mir
unglaublich schwer, aber ob ich diesen Schritt jetzt oder in einer Woche gehe…
- das tut am Ende nichts zur Sache.
Ich habe ein
bisschen Angst davor, im Labor vergessen zu werden. Oder dass ich dann auch
eine von denen bin über die gesagt wird: „Ja die kommt ja nie“. Denn es stimmt
dann ja mehr oder weniger.
Es ist
schwierig, einen Ort, der mich seit der Klinik so sehr getragen hat, eigenhändig
loszulassen. Nicht, weil es sich richtig anfühlt, sondern weil ich weiß, dass
man jetzt gerade andere Dinge von mir erwartet und ich den Fokus eben auch auf
andere Dinge legen muss.
Aber diese
Entscheidung muss ich ohnehin treffen. Ob nun jetzt oder in einer Woche… das
ändert es nicht mehr…
„Tun Sie
das, was Ihnen gut tut“. Ein netter Satz in der Klinik, aber im wahren Leben
funktioniert das nicht.
Wer weiß was
ist, wenn ich wieder komme? Theoretisch sind wir 14 Doktoranden und es müsste
zugehen wie im Taubenschlag bei uns. Derzeit ist das nicht so.
Auch eine
Planung für den Lernplan muss her.
Ich hätte
gern nächsten Mittwoch angefangen, aber das wird wohl eher nichts – zu dem
Grund kommen wir gleich noch – dann wird es Donnerstag.
Bis dahin
müssen alle Endspurt – Scripte zusammengefasst werden oder alternativ die
Zusammenfassungen einer Kommilitonin genutzt werden. Ich muss mir die mal genau
anschauen, dann muss ich daraus eventuell aus Teilen davon ein großes Dokument
machen und im Labor nochmal drucken. Ich werde es wohl nicht mehr schaffen,
alles selbst zusammen zu fassen.
Dann habe
ich genau 15 Tage Puffer. Vielleicht schaffe ich es ja auch schon Dienstag mit
dem Lernplan anzufangen, aber dann Mittwoch direkt nochmal eine Pause…? Aber da
will ich mich jetzt noch nicht festlegen.
Auch eine
Reihenfolge der Lerntage muss ich noch festlegen. Theoretisch geht es mit
Innere los, aber das sind 40 % des Examens und das im Stress der
Vorweihnachtszeit? Ich würde das lieber in Ruhe im Januar machen, müsste dann
aber ein Thema finden, das ich vorschalte.
Der Lernplan
soll auch am Wochenende entstehen.
Wenn ich
dann wirklich beginne, wird sich auch der Blog verändern und so genutzt werden,
wie ich das ursprünglich angedacht hatte. Ich werde die Tage durchnummerieren
von 1 – 115, sodass ich jeden Tag sehe, dass ich wieder etwas geschafft habe. Der
Plan ist jeden Tag kurz aufzuschreiben, was ich gelernt habe, ob das geklappt
hat, wie es mir geht und ob ich meine, dass ich an meiner Tagesstruktur noch
etwas ändern muss. Und wenn ich Platz brauche um ein wenig zu reflektieren,
kommt das auch noch darin vor.
Das ist auch
etwas, das werde ich mir definitiv jeden Tag erlauben, weil es mir einfach gut
tut. Das müssen keine ellenlangen Texte werden, vielleicht steht dort wenn ich einmal
richtig drin bin wirklich nur noch jeden Tag, was ich so gemacht habe und das
Ganze wird so eine Art Lern – Dokumentation, aber es ist ein Ort, an dem ich
mich jeden Tag einmal kurz austoben darf.
So… wie geht
es jetzt weiter bis nächsten Donnerstag?
Größtenteils
werde ich mich den Zusammenfassungen widmen, dazwischen gibt es noch einige
Termine und Treffen zu absolvieren. Morgen gehe ich noch auf den
Weihnachtsmarkt mit einigen Kommilitonen, am Samstag in eine Ausstellung von
Künstlern, die gerade ihren Abschluss machen – ein Freund hat mich eingeladen, weil
er dabei ist. Ich hoffe, ich finde irgendwie Zeit – ich verstehe, wie wichtig
das für ihn ist.
Sonntagabend
kommt dann vielleicht noch ein anderer Freund kurz vorbei und meine Mama wollte
eigentlich noch kommen. Ob ich dafür Nerven habe, weiß ich aber noch nicht und
ich werde sie ja ohnehin spätestens Weihnachten sehen. Da wir uns seit April
nicht mehr gesehen haben, tun die paar Tage es jetzt meiner Auffassung nach
auch nicht mehr. Ich fürchte sie sieht das anders.
Und dann
werde ich aber auch allen erklären müssen, dass ich jetzt erstmal schauen muss,
wie die Lernzeit anläuft. Und ich hoffe, die Menschen haben Verständnis dafür,
dass ich mich erstmal zurück ziehe.
Montag muss
ich noch zum Arzt, Dienstag darf ich auf keinen Fall die PJ – Belegung verpennen
und dann ist Mittwoch und… - naja….
Ich habe
eine Kommilitonin, die glaube ich so ziemlich die Einzige war, die sich denken
konnte was passiert war, nachdem ich im Frühling so plötzlich von der
Bildfläche verschwunden war. Ich frage mich schon manchmal, warum sie das zum
Anlass genommen hat, mich so zu unterstützen. Wir kommen seitdem gut
miteinander zurecht, treffen uns ab und an mal und da sie das Examen schon
hinter sich hat, hilft sie mir organisatorisch wo sie kann. Auch sonst macht
sie sich wahnsinnig viele Gedanken. Auf der Station auf der sie PJ macht,
arbeitet ein Psychosomatiker und den hat sie gefragt, ob ein depressives
Krankheitsbild seiner Meinung nach eher in die Psychiatrie oder die
Psychosomatik gehört. Naja… - was soll ein Psychosomatiker sagen…?
Das Ende vom
Lied war dann, dass er ihr seine Kontaktdaten gegeben hat, die sie dann
wiederrum an mich gegeben hat. Sie hat mir das sehr vorsichtig erklärt und
hatte Angst da eine Grenze überschritten zu haben. Ich habe sie sofort
beruhigt, gesagt, dass ich das sehr aufmerksam von ihr finde, dass sie sich so
viele Gedanken macht und mir das überlegen werde.
Das ist
jetzt über eine Woche her. Letzten Endes weiß ich nicht, was ich davon halten
soll, auch wenn ich das wirklich sehr lieb von ihr finde – das war nicht nur
daher gesagt.
Einerseits
ist das richtig unklug, das Thema jetzt vor der Examensvorbereitung anzugehen,
andererseits schwimme ich glaube ich gerade mehr, als ich das so wahrnehme.
Ich habe den
heute einfach mal angerufen und habe damit gerechnet, dass er mir ohnehin
mitteilt, dass das vor Februar mal gar nichts wird. Tja… weit gefehlt. Er hat
sich dann noch entschuldigt, dass wir das diese Woche nicht mehr hinkriegen
(Ähm… es ist Donnerstag…), sondern es erst nächste Woche wird. Mittwoch, um
genau zu sein.
Er möchte
weiterhin, dass ich vorher noch einen Fragebogen ausfülle.
Der war
wirklich nett am Telefon und er gibt sich richtig Mühe, aber ich hatte danach
einfach erstmal so Panik. Das ist alles überhaupt nicht mit der Ambulanz abgesprochen.
Natürlich ist das kein Muss, aber ich habe einfach das Gefühl, die total zu
hintergehen. Andererseits muss man eben sagen, dass ich dort auch nicht mehr so
richtig vorankomme. Andersherum könnte man das vielleicht auch positiv werten,
weil ich mich um mich selbst kümmere… keine Ahnung.
Eigentlich
ist das ein Projekt, bei dem ich nur gewinnen kann. Er stellt seine Fragen und
ich antworte darauf, so gut ich kann. Ich glaube, gerade der Termin gestern hat
mir nochmal sehr geholfen viele Dinge zu reflektieren und vielleicht zu ahnen,
warum ich auf manche Dinge keine Antwort habe.
Ich glaube,
ich werde mich jetzt immer noch nicht hinsetzen (schon gar nicht beim ersten
Mal) und erklären, dass ich keine Ahnung habe, wie ich die nächsten Tage
überstehen soll, aber ich kann jetzt zumindest formulieren, dass ich das Gefühl
habe, dass mein Gegenüber von einer Aussage wie sie sich für mich richtig
anfühlt, total irritiert sein könnte und es mir deshalb sehr schwer fällt, eine Antwort zu finden
Und nach dem
Gespräch überlegt er, was er mir anbieten kann und dann kann ich entscheiden,
ob ich etwas davon wahrnehmen möchte, oder nicht.
Ich weiß nur
nicht, ob das so vernünftig ist unmittelbar vor dem Beginn des Lernplans. Und
ob dann vielleicht am Ende nicht doch irgendetwas über meinen Kopf hinweg
entschieden wird. Oder ob ich den vielleicht zu viel nerve? Ich war ja nicht
dabei bei dem Gespräch zwischen meiner Freundin und ihm…
Vielleicht
wird mich das auch für länger als den Rest des Tages raus hauen. Ich muss halt
wieder hoch auf das Klinikgelände fahren und ich war dort aus guten Gründen
seit meiner Entlassung nicht mehr. Ein ehemaliger Mitpatient hat in unserer whatsApp
– Klapsengruppe mal ein Foto mit dem Straßennamen hoch geladen. Das hat mich
schon fast überfordert.
(Er dann heute so: "Ich muss Ihnen ja jetzt nicht den Weg erklären, Sie kennen sich ja aus..." Das klingt zwar vielleicht im ersten Moment ganz nett, ist aber im Prinzip schon echt bitter... )
(Er dann heute so: "Ich muss Ihnen ja jetzt nicht den Weg erklären, Sie kennen sich ja aus..." Das klingt zwar vielleicht im ersten Moment ganz nett, ist aber im Prinzip schon echt bitter... )
Jedenfalls…
es ist jetzt so… ich bin mal gespannt…
(Und ich
glaube entgegen meiner lapidaren Behauptung gestern, werde ich dann schon Angst
davor haben. Da sind Beratungsstellen einfach entspannter…)
Alles Liebe
Mondkind
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