Nebenschauplätze


Es ist Dezember.
Und Dezember bedeutet, dass ab sofort wieder Weihnachtslieder gehört werden dürfen, Lebkuchen gegessen werden dürfen (auch wenn sie schon gefühlt seit August im Supermarkt erhältlich sind – ich halte mich aber an das, was mir meine Eltern früher vermittelt haben) und dekoriert werden darf auch.
Dekoriert… meine winzige Bude. Mal abgesehen davon, dass es hier ohnehin schon so voll ist, dass jegliche Deko das nur noch weiter überladen würde, habe ich auch gar keine Weihnachtsdeko.

Die erste Weihnachtszeit, in der ich so völlig alleine bin. Dieses Wochenende bin ich bei meinem Papa, aber eigentlich ist ja Sonntag erst der erste Advent und den Nachmittag verbringe ich dann ja schon wieder auf den Schienen. Und dann bin ich bis Weihnachten hier alleine.
(Ich hatte ja schon überlegt meinen Papa zu fragen, ob wir nicht für den Sonntag meine Schwester einladen können. Ich finde das einfach richtig dämlich, dass ohne unser Zutun der eine das „Mama – Kind“ und der andere das „Papa – Kind“ geworden ist und es damit auch quasi ausgeschlossen ist, beim jeweils anderen Elternteil zu sein. Das hat einfach so viel kaputt gemacht. Nicht nur zwischen meiner Schwester und meinem Vater und meiner Mutter und mir, sondern auch zwischen meiner Schwester und mir. Aber ich glaube, ich würde mich damit ziemlich in die Nesseln setzen und ich weiß nicht, ob ich dazu die Kraft habe dieses Wochenende und dann herrscht wahrscheinlich auch wieder Eiszeit wenn sie da ist, weil wir alle nicht wissen, wie wir miteinander umgehen sollen. Es tut mir nur unfassbar leid für sie, weil ich weiß, dass sie sich wünschen würde auch zu kommen)

Heute Nacht habe ich mich daran erinnert, wie das in den letzten beiden Jahren war. Dort war es an meinem alten Wohnort Tradition, Sterne in die Fenster zu hängen. Die waren selbstgebastelt und jede Etage hat eine andere Farbe bekommen. Und kurz vor Weihnachten wurde auch immer noch der Türrahmen zum Wohnzimmer dekoriert und an Weihnachten selbst hatten wir einen Tannenbaum mit echten Kerzen. Die konnten natürlich nur leuchten, wenn wir aufgepasst haben, aber das war immer wunderschön dort vor dem Tannenbaum zu sitzen.
Und ich meine mich erinnern zu können, dass die Töchter von meiner Vermieterin und ich in meinem ersten Jahr dort mal auf dem Boden gelegen haben und meine Vermieterin uns eine Weihnachtsgeschichte vorgelesen hat. Dafür mag ich ein wenig zu alt erscheinen, aber ich habe es damals wirklich genossen.

Auch dort hatte ich natürlich immer viel zu tun, aber wir haben das sogar mal zwischendurch geschafft Plätzchen zu backen und irgendwoher hatte ich eine Ecke Zeit gekramt.

Letztens hat mal jemand zu mir gesagt: „Mondkind – äußere Rahmenbedingungen haben doch gar nichts mehr mit Deinem Zustand zu tun, oder?“
Ich weiß nicht, ob sie das je hatten. Ein bisschen habe ich manchmal das Gefühl, dass wir uns um allerhand Nebenschauplätze gekümmert haben, aber dabei das Wesentliche außer Acht gelassen wurde. Ich glaube – was auch immer das „Es“ (siehe gestern...) hat – aber es geht dabei weder um irgendetwas Materielles, noch um irgendwelche Örtlichkeiten und ich glaube das war mir in der Klinik auch klar, weshalb ich mich zu Beginn auch mit Händen und Füßen gegen die Idee des Umzugs gewehrt habe. Das war eben nur relativ einfach alle äußeren Umstände zu ändern, statt sich da mit mir hinzusetzen und zu versuchen heraus zu finden, was da los ist. Ich selbst komme da nämlich nicht dran.

Nun musste ich einsehen, dass mein alter Wohnort sehr weit weg war und dass die Strukturen dort nicht so einfach waren. Wahrscheinlich hätte ich mir über viele Dinge einfach gar keine Gedanken machen dürfen. Ich fand das zum Beispiel immer ein bisschen blöd, wenn ich abends spät nach Hause kam, der Meinung war, dass definitiv jemand da sein müsste und das am Ende nicht so war, weil keiner mit einer Silbe erwähnt hatte, dass sie heute Abend irgendwo im Theater oder sonst wo sind. Es hätte mich einfach nicht interessieren dürfen und ich hätte nicht erwarten dürfen, dass man mir das mitteilt. Ich glaube nur, dass es schwierig ist, wenn es so das einzige Stück Familie ist, das über geblieben ist, die aber eigentlich keine war.
Ich erwähnte es ja schonmal – die meisten Dinge, warum es dort nicht geklappt hat, lagen an mir.

Und vielleicht hat die Tatsache, dass es um Nebenschauplätze ging die Sache nicht unbedingt besser gemacht. Alleine sein ist nämlich einfach ziemlich dämlich.
Und dann ist das Labor so ein bisschen nachgerückt, als „Ersatz – zu – Hause“, was eigentlich auch eine ziemlich bescheuerte Idee ist. (Im Prinzip hat sich das auch nur so ergeben, das war keine bewusste Entscheidung, aber gut ist es trotzdem nicht).

Ich bin einfach nicht so der Allein – sein – Typ, ich glaube, ich brauche dann zumindest eine Katze oder so… aber das geht halt auch nicht, bis ich fertig studiert habe, obwohl ich am liebsten eher Heute als Morgen einen Weggefährten hätte. Aber weder ist es im Wohnheim erlaubt, noch ist es gut für das Tier.

Ich habe gestern Abend übrigens mit einer Freundin gesprochen. Ihr geht es gerade auch nicht sonderlich gut (das ist halt das Problem an Klapsen – Bekanntschaften. Zwar verstehen wir uns alle ganz gut und können den anderen nachvollziehen, aber gefühlt baut man ständig nur alle Leute um sich herum auf und zumindest ich nehme mich dann immer ordentlich zurück). Sie meinte pünktlich zum Klausurstart nächste Woche geht es ihr wieder schlechter und sie denkt so viel nach.
Meine Therapeutin meinte zwar mal, dass das typisch ist bei Leuten, die ohnehin psychisch ein wenig angeschlagen sind, aber ich fand es schon spannend, dass ich nicht die Einzige bin, deren Hirn in solchen Zeiten vollkommen am Rad dreht, wo es sich doch auch gern an allen anderen Tagen des Jahres Gedanken um die grundsätzlichen Dinge des Lebens machen kann.

So meine Lieben… - ich werde jetzt noch 2 Stunden in die Bücher schauen (hoffentlich….) und danach aufbrechen und endlich diese letzte Klausur hinter mich bringen.
Drückt mir die Daumen – ich war schonmal besser vorbereitet…

Alles Liebe
Mondkind

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