Mein Jahr 2017
Es ist das erste Mal auf diesem Blog, dass ein Jahr sich dem Ende neigt. Ich persönlich brauche das in den letzten Tagen des Jahres immer, die wichtigsten Stationen der vergangenen zwölf Monate noch einmal zu rekapitulieren. Zu überlegen, was ich überhaupt alles erlebt habe. Noch einmal all die Höhen und Tiefen passieren. Um nochmal kurz inne zu halten. Um ein bisschen Frieden zu schließen mit all den Situationen, über die ich mich zu dem Zeitpunkt vielleicht geärgert habe, weil es mit ein bisschen Abstand bestrachtet, vielleicht doch auch gute Seiten hatte.
Und wer an meinem Jahr im Schnelldurchlauf gern teilhaben möchte, holt sich jetzt am Besten eine heiße Tasse Tee und fängt dann an zu lesen. Es wird nämlich etwas länger...
***
Another year
over,
a little bit
stronger
a little bit
wiser
than a year ago
today
(Delta Goodrem –
A year ago today)
Wie endete es –
das letzte Jahr? Was waren Ideen, Wünsche, Pläne?
Lass uns noch
mal kurz zurück schauen.
Ich zitiere
mich selbst.
„Kurzer Blick
auf nächstes Jahr…
[…]
Dann wäre ich
nächstes Jahr um diese Zeit im PJ und würde irgendwo auf einer internistischen
Station beschäftigt sein und die ersten Fühler raus ins Arbeitsleben strecken.
Die
Doktorarbeit könnte im Dezember des nächsten Jahres schon ganz gut voran
gebracht sein, sodass zumindest definitiv alle praktischen Anteile durch sind.
Und ich könnte
nächstes Jahr in der Klinik sein (was es ausschließen würde, Examen zu machen).
Da hängt allerdings schon viel dran.“
Dazu muss ich
jetzt glaube ich nichts mehr sagen. Im Leben hätte ich nicht für möglich
gehalten, dass es so kommt. Aber… - es war irgendwo absehbar. Damals schon. Und
vielleicht habe ich sogar ein winziges bisschen gehofft, dass es so kommt. Ich
hatte nur viel zu viel Angst.
Und die
Doktorarbeit… - nun ja, kein Kommentar…
Januar…
So wie jedes
Jahr war um den Jahreswechsel herum Klausurenzeit. Deshalb war es bis fast bis
zum Ende des Januars ziemlich ruhig – abgesehen vom Lernen für die Uni war
nicht viel los. Es hatte geschneit bei uns – quasi den gesamten Januar lag
Schnee und es stellte sich jeden Morgen die Frage, ob ich überhaupt zur Uni
kommen würde. Es gab einige Tage in denen ich tatsächlich bis zum Hauptbahnhof
laufen musste und entsprechend bin ich dann morgens noch früher aufgestanden,
wenn das abends schon absehbar war.
Mein Gesundheitszustand
hatte sich bis in den Februar hinein ziemlich verschlechtert. Ich war quasi dauer
– erkältet, die Wochenenden habe ich dann doch immer im Bett verbracht, montags
war ich wieder so halbwegs auf dem Posten, bis ich Freitags wieder flach lag. So
etwas hatte ich ja schon lange nicht mehr erlebt.
Es war wenig
Zeit für außeruniversitäre Dinge gewesen, aber wenn ich wirklich mal ein paar
Minuten über hatte, habe ich es genossen mir den Hund zu schnappen und mit ihm
im Wald durch den tiefen Schnee zu waten. Das war irgendwie immer eine Art
Kindheitstraum gewesen und dort in der Ecke in der ich damals gewohnt habe, hat
es aufgrund der Höhenlage immer viel mehr geschneit als rund herum und es wurde
endlich Zeit, den Traum zu verwirklichen.
An den
Studienblock schloss sich dann wieder ein Praxisblock an. Die Tage in der Uni
wurden weniger anstrengend. Wir mussten im Stationsalltag teilhaben und uns um
Patienten kümmern und sicher abends auch mal etwas lesen und lernen, aber nicht
vier Wochen lang in jeder freien Minute Wissen in unser Hirn stopfen.
Ich hatte auch
wieder Zeit für andere Dinge und der Oberarzt, den ich in einer Famulatur kennen
gelernt hatte und ich hatten es endlich mal geschafft uns zu treffen. Ich
wusste selbst nicht so genau, was mit mir los war – ich war beinahe noch nie so
aufgeregt gewesen vor einem Treffen, aber es war sehr schön damals und
irgendwie hatte ich gehofft, dass das ein bisschen mehr und enger wird mit uns
– auch wenn mir quasi von Beginn an klar war, dass das eine Illusion ist.
Auch die
Doktorarbeit rückte wieder ein wenig mehr in den Fokus.
Kurz vor
Semesterferien zog dann das Labor endlich in das neue Gebäude um – mit ungefähr
einem Jahr Verspätung.
Blöd nur, dass
unser Chef vergessen hatte, die Räumlichkeiten bei den Behörden anzumelden und
sie deshalb gar nicht abgenommen waren und folglich auch keine unserer
Tätigkeiten versichert war. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als den
Laborbetrieb vorerst einzustellen.
Und dann begann
das Chaos. Rückblickend betrachtet ging es glaube ich schon viel früher los,
als ich das bewusst wahrgenommen habe. Ich wusste, dass im Frühling bei der
Bahn gebaut wird und dass ich eine zeitlang würde zurück in mein Elternhaus
kehren müssen, um mit meiner Schwester mit dem Auto zur Uni fahren zu können.
Ich wusste, ich würde zwischen den Welten pendeln müssen. Zwischen meinem
Elternhaus und meinem damaligen Wohnort. Zwischen zwei Orten, von denen einer
mal mein zu Hause gewesen ist, und der andere Ort es hätte werden sollen, aber
nie so recht geworden ist. Für mich gab es keinen Ort, an dem ich sein durfte.
In mein Elternhaus gehörte ich einfach nicht mehr und mir wurde auch immer
wieder deutlich gemacht, dass ich dort die Abläufe teils auch störe. Und dort
wo ich damals gewohnt habe… - ich konnte mir einfach nie vorstellen, dass man
sich freiwillig eine fremde Person ins Haus holt, mit der man dann dort lebt.
Ich hatte immer das Gefühl, dass es die doch viel mehr entspannen muss, wenn
ich weg bin.
Es gab Zeiten,
in denen ich darüber nicht so viel nachgedacht habe. Aber gerade wenn dieses
Thema „Pendeln zwischen den Welten“ und „Heimatlosigkeit“ wieder so aktuell
geworden ist, hat es mich ganz schnell an meine Grenzen gebracht.
Ich habe noch
versucht, Halt zu finden. Ich bin einmal quer durch Deutschland zu meiner Oma
gefahren – Zeit hatte ich durch den Stillstand im Labor ja nun. Das war auch
eine gute Idee. Wir hatten eine wunderschöne Woche – dass es so gut läuft,
hatte ich nicht erwartet. Wir haben uns gut verstanden und ich fand es so rührend,
als sie einmal morgens im Schlafzimmer stand, mich geweckt hat und meinte, sie
sei extra 10 Minuten gekommen, bevor das Frühstück fertig ist, damit ich noch
Musik hören kann, weil ich das ja nicht so mag sofort hoch hüpfen zu müssen,
wenn der Wecker klingelt. Wir hatten ewig nicht mehr Zeit miteinander verbracht,
aber das wusste sie noch.
Wir haben viel
unternommen in der Woche und ich habe dort auch gemerkt, wie müde ich eigentlich
war, aber ich dachte, dass dieser räumliche Abstand zu meinem Chaos es
vielleicht noch retten kann.
Wieder zurück
war ich abwechselnd an meinem Wohn- und meinem Heimatort und nirgendwo konnte
ich es aushalten. Nebenbei habe ich emsig die Skripte zusammen gefasst – so ganz
dabei war ich aber damals nicht. Mitbekommen habe ich damals glaube ich nur,
dass es ein völlig hoffnungsloses Unterfangen war.
Ich weiß gar
nicht mehr, wie die Situation sich dann so zugespitzt hatte. Ich bin zwischen
den Orten gependelt, habe noch ein Pädiatrie – Praktikum eingeschoben, nebenbei
die Skripte zusammen gefasst in dem Wissen, dass ich sie nie im Leben pünktlich
fertig bekommen würde und irgendwie verschlechterte sich mein Zustand immer
mehr.
Und dann fiel
in der Ambulanz mal wieder das Wort „Klinik“. Und diesmal blieb es nicht dabei,
das als theoretische Möglichkeit in den Raum zu stellen, sondern ich musste an
einem Freitagnachmittag noch warten, bis auch die Ärztin Zeit hatte und mit ihr
nochmal sprechen, um dann vorerst wieder gehen zu dürfen.
Und da wusste
ich schon, dass sich das kaum noch abwenden lässt.
Ostern habe ich
noch in meinem Elternhaus verbracht und in der Woche danach ging die Uni wieder
los. Mitbekommen habe ich nichts mehr. Ich konnte nicht mehr zuhören, nicht
mehr lesen, nicht mehr lernen – nichts. Es war, als habe man sämtliches Wissen
aus meinem Hirn geschmissen und ich habe es drei Freunden zu verdanken (von
denen ich mittlerweile leider auch schon lang nichts mehr gehört habe), dass
sie mich durch die Seminare der ersten Woche geschleift haben.
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Startklar für die Uni ! |
Und dann kam
jener Freitag, an dem es endgültig vorbei war.
Ich habe
darüber schon so viel geschrieben, ich führe es nicht nochmal aus.
Es war so viel
gleichzeitig. Die Angst vor dem, wie es weiter gehen würde. Das Eingeständnis,
dass das alles nicht nur eine Phase ist, dass ich nicht nur „streckenweise ein
bisschen überfordert“ bin. Dass die „Überfliegerzeit“ jetzt vorbei ist.
Bis hierher war
alles glatt gelaufen. Ein super Abi, ein Studium in Regelstudienzeit und
nebenbei noch eine Doktorarbeit und all das trotz einer schwierigen
Lebenssituation. Für mich war das nichts Besonderes, sondern einfach der „natürliche
Lauf der Dinge“, aber rückblickend betrachtet war es doch eine Menge. All das
brach plötzlich zusammen. Und weil ich nichts außer meine Leistungen hatte, war
das eine absolute Katastrophe.
Und
gleichzeitig war da noch etwas, das ich gar nicht so richtig wahrnehmen wollte
– denn wie konnte ich das gut finden? Aber doch, es war da. Erleichterung.
Dieser ganze Wahnsinn war vorerst vorbei. Und da war noch etwas - Hoffnung. Wenn ich das Gelände
dann wieder endgültig verlassen würde, würde es mir besser gehen.
Ich glaube am
Anfang war sich keiner sicher, ob ich dort lange bleiben würde. Ich wollte
irgendwie, aber gleichzeitig hat es in mir nur geschrien, es hat mich so zerrissen
– Aufgabe der ersten Tage war einfach nur mich selbst auszuhalten. „Wann hört
das auf?“ Diese Frage hat der Stationsarzt oft von mir gehört und „Frau
Mondkind, Sie müssen Geduld haben“, war die regelmäßige Antwort und ab und an
hat mir ein Benzodiazepin zumindest für ein paar Stunden den Wahnsinn ein
bisschen genommen.
Gleichzeitig haben wir vereinbart, dass ich erstmal eine Woche bleibe und in der Zeit überlege, ob ich mich mit dem Gedanken anfreunden kann, länger zu bleiben. Aber rational betrachtet: Hatte ich eine Wahl? Ich hatte doch im Studium in dem Zustand keine Chance mehr. Was sollte ich denn tun, wenn ich mit meinen Kräften am Ende war, aber auch nicht bereit war, mir helfen zu lassen? Wo sollte das enden? Und deshalb blieb ich.
Gleichzeitig haben wir vereinbart, dass ich erstmal eine Woche bleibe und in der Zeit überlege, ob ich mich mit dem Gedanken anfreunden kann, länger zu bleiben. Aber rational betrachtet: Hatte ich eine Wahl? Ich hatte doch im Studium in dem Zustand keine Chance mehr. Was sollte ich denn tun, wenn ich mit meinen Kräften am Ende war, aber auch nicht bereit war, mir helfen zu lassen? Wo sollte das enden? Und deshalb blieb ich.
Und irgendwann
ist die Klinik zu einem zeitlich begrenzen zu Hause geworden. Nachdem ich in
dem Jahr so viel hin und her gependelt war, war das der erste Ort an dem ich
länger als ein paar Wochen war, bevor ich wieder weiter
gezogen bin.
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Mit eigener Bettwäsche sieht es tatsächlich einigermaßen wohnlich aus ;) |
Hier habe ich
irgendwann die Weichen für einen Neuanfang gestellt. Ich hatte beschlossen
umzuziehen, ich bin offener geworden für die Menschen um mich herum und habe
Freunde gefunden. Ich habe verstanden, dass das Leben so viel mehr bietet als
den Schreibtisch und ich habe erstmals angefangen meine Studienstadt zu
erkunden.
Irgendwann kam
der Sommer und ich habe etwas erlebt, von dem ich nicht geglaubt habe, es noch
mal fühlen zu dürfen. Ich war wieder Teil der Welt, in der die anderen auch
leben. Ich habe die Sonne in mir gefühlt, das schöne Wetter genossen, unsere
abendlichen Spaziergänge, das Picknicken auf dem Klinikgelände, Eis essen gehen
mit Mitpatienten.
Und all das
ohne, dass es mich dabei auseinander gerissen hätte, dass ich trotzdem ganz
woanders war, als alle anderen. Nein – ganz ruhig, ohne Stress… - einfach nur
in dem Moment leben.
Es waren die
wenigen Tage, die in diesem Jahr mein Sommer waren. Aber ich hatte einen. Das
erste Mal seit über 10 Jahren hatte ich das Gefühl einen Sommer zumindest
kurzzeitig wirklich erlebt zu haben. Einen echten Sommer. Keinen, der sich hinter irgendwelchen Praktika versteckt hat, sondern etwas, das jeder andere Mensch auch als Sommer bezeichnen würde.
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Die Schlüssel zur WG. Ich war so unfassbar stolz auf mich ;) |
Natürlich gab
es auch schwierige Momente. Das bisherige Leben komplett über den Haufen zu
werfen ist keine einfache Entscheidung und ging mit vielen Ängsten, Zweifeln und Tränen
einher. Ich war froh, diese Zeit nicht allein durchstehen zu müssen, sondern
zusammen mit den Mitpatienten, die mir immer wieder Mut gemacht haben und mit
dem Team der Station.
Und irgendwann
bin ich wieder in die Uni gegangen und so langsam kehrte der Alltag wieder ein
in mein Leben. Naja… Alltag. Morgens Uni, nachmittags Psychiatrie… - inwiefern
das Alltag ist?
Es war
schwierig geworden am Ende. Damals hatte ich das gar nicht so ganz richtig
verstanden, warum es mir wieder so schlecht ging. Heute glaube ich, dass das
diese Diskrepanz war zwischen dem, was man von mir
erwartet hat, dass ich vermittle und dem, was ich wirklich wahrgenommen
habe. Die Uni hat mein Fell wieder dünn werden lassen, der Stress mit der
Dreifachbelastung Uni, Klinik und Umzug hat mich fertig gemacht – aber (fast) ganz
nach alter Manier – nicht so fertig, als dass die Uni nicht mehr funktioniert
hätte.
Und das nicht
kommunizieren zu dürfen und zu können (denn wer wieder in die Uni geht, dem kann es ja nicht so schlecht gehen) – obwohl ich ja nun in der richtigen Institution dafür war, hat in mir einen immensen Druck erzeugt.
Auch, dass das
Thema mit den Suizidgedanken erst kurz vor meiner Entlassung auf den Tisch kam,
war schwierig. Ich wusste, dass ich da eigentlich dran arbeiten muss, aber es
ging nicht mehr, ohne dass ich die Uni hätte abbrechen müssen. Und das wollte
ich nicht.
Abgesehen davon
hatten wir einen neuen Stations- und Oberarzt und wenn ich das mit dem alten
Team in 10 Wochen nicht geschafft hatte darüber zu sprechen (und den alten Oberarzt kannte ich noch viel länger), war jetzt ganz
sicher nicht der richtige Zeitpunkt.
Ich habe
irgendwann gemerkt, dass ich raus musste. Es kam der Zeitpunkt, an dem das für
mich einfach nicht mehr der richtige Ort war. An einem Nachmittag habe ich vor
unserem Stationsarzt gesessen und ihm erklärt, dass es irgendwie alles nichts
nützt, wenn ich versuche um Verständnis zu ringen, aber das offensichtlich
keiner nachvollziehen kann und ich auch das Gefühl habe, nicht mehr alles sagen
zu können, ohne die Uni zu gefährden.
Er war noch
einer der ganz jungen Ärzte gewesen, der nicht versucht hat jede Aussage wieder
auf irgendeine therapeutische Schiene zu schieben.
Er konnte dazu
auch nichts mehr sagen. Wir wussten beide, dass das stimmt. Ich würde an der
Stelle vorerst nicht mehr weiter kommen und vielleicht hatte ich auch langsam
den Klinik – Koller.
Die erste
Nacht, in der ich wieder mein eigener Mensch war. In der man es mir zugetraut
hat, dass ich von nun an wieder alleine in dieser großen, weiten Welt zurecht
komme.
Es ist schon
erstaunlich, wie zerbrechlich man wird, wenn man drei Monate innerhalb von
schützenden Mauern verbringt.
Ich musste
erstmal begreifen, dass ich alles auch allein schaffen kann. Zwar fühlte es
sich nicht gut an, aber ich kam zurecht. Die Basics haben bei mir ja immer
funktioniert. Aufstehen, fertig machen, in die Uni fahren, zuhören.
Drei Wochen
nach der Entlassung war die Blockabschlussklausur. Es war eine wichtige Klausur
für mich, weil es die Generalprobe war, ob all die Veränderungen "uni - kompatibel" sind.
Im Sommer bin
ich dann – wahrscheinlich entgegen aller guten Ratschläge – zurück in mein
Elternhaus gefahren und habe auf die Meerschweinchen aufgepasst, während meine
Mama und meine Schwester auf Kreuzfahrt waren.
Es war eine
schöne Zeit mit den beiden Rackern. Ich bin mit den Zusammenfassungen gut voran
gekommen und habe es zwischendurch genossen, mich um die Fellnasen zu kümmern.
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Midnight |
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Cosmopolitan |
Bevor es dann
in die Endphase der Lernens für die restlichen Kommilitonen aus meiner Gruppe
ging, haben wir uns abends ab und an mal in der Stadt getroffen. Meistens sind
sie lang geworden, diese lauen Sommernächte, die wir erst in der Altstadt und
dann am Fluss verbracht haben und es kam nicht selten vor, dass ich irgendwann
um 2 Uhr morgens durch eine menschenleere Uni auf dem Weg nach Hause radelte.
Es war ein
völlig neues Gefühl von Leben und so manchmal habe ich mich gefragt, was ich
entgegnet hätte, wenn irgendwer mir am Anfang des Jahres berichtet hätte zu
welchen Uhrzeiten und mit welchem Verkehrsmittel ich durch die Uni radeln
würde. Und in solchen Momenten ist mir immer bewusst geworden, wie viel ich
doch auch erreicht habe.
Den Rest der
Semesterferien habe ich hauptsächlich damit verbracht morgens im Labor zu sein
und nachmittags zusammen zu fassen und an den Wochenenden habe ich dann das „socialising“
nachgeholt, das ich in der Woche nicht mehr geschafft habe.
Es war eine
hektische Zeit. Ich war im Prinzip jeden Tag auf Achse, wollte aber allen und
allem gerecht werden. Ich musste meine Doktorarbeit voran bringen und Präsenz
und Interesse im Labor zeigen. Bis zum Ende der Semesterferien mussten die
Zusammenfassungen weitestgehend fertig sein, weil im Dezember vor dem Start des
Lernplans nicht mehr viel Zeit übrig bleiben würde. Und dann hatte ich ja nun
ein paar Menschen kennen gelernt, die ich schon auch treffen wollte, aber es
war eben auch viel Stress. Vielleicht hätte ich das mit dem „socialising“ nicht
immer gemacht, hätte meine Therapeutin nicht bei jedem Termin gefragt, ob ich
denn meinem Sozialleben nachkomme und auch hier wollte ich den Ansprüchen
gerecht werden.
Ich war
wochenlang jeden Tag unterwegs und erst ganz am Ende habe ich es geschafft,
auch mal einen Tag zu Hause zu bleiben. Ich glaube, ich habe selbst nicht
gemerkt, wie ich mir da ein bisschen zu viel zugemutet habe. Ich hätte an jeder
Ecke ein paar Abstriche machen sollen. Da aber scheinbar alles perfekt
funktionierte, hat gar keiner (anfangs auch ich selbst nicht) mitbekommen, dass
es mir alles über den Kopf wuchs und dann zur schlimmsten Krise
seit der Klinik ausartete.
Zwar nur mit
viel Starthilfe (und auch diesen Nachmittag werde ich so schnell nicht
vergessen) – aber auch das habe ich geschafft und startete pünktlich und
planmäßig in mein letztes halbes Semester. Auch hier hatte es zwischendurch
noch tagelang Theater mit dem Stundenplan gegeben und das hatte auch wieder zu
viel Streit mit meiner Schwester und Schuldgefühlen meinerseits geführt. Aber
ich bin ihr dankbar, dass sie am Ende doch in den Tausch eingewilligt hat, auch
wenn man das hätte unkomplizierter haben können.
Die letzten
acht Wochen in dem Setting, wie wir es die letzten Jahre verbracht hatten,
zogen schnell vorbei. Die Lernerei war allerdings – das muss man mal zugeben –
entspannter als in manch anderen Blöcken, weil ich Praktika vorgezogen hatte.
Deshalb konnte ich doch ab und an mal noch Leute treffen und bei einer Freundin
einspringen, als sie krank war. Auch das war alles für mich stressig, aber ich war
stolz es überhaupt getan zu haben, denn noch ein halbes Jahr davor wären solche
Dinge undenkbar gewesen.
Am ersten
Dezember habe ich dann meine letzte Klausur an der Uni in diesem Studium
geschrieben. Die darauf folgenden Tage waren nochmal stressig. Viel stressiger
als geplant. Es stellte sich heraus, dass die Zusammenfassungen doch noch nicht
so weit waren, wie ich angenommen hatte, im Labor kamen plötzlich wieder neue
Ideen zum Vorschein, wo ich mir doch vorgenommen hatte, die aktuellen Arbeiten
zu einem vorläufigen Abschluss zu bringen, um die Arbeit vier Monate lang auf
Eis legen zu können.
Aus dem Plan
nochmal ein paar Tage frei zu nehmen wurde nichts und so startete denn Mitte
Dezember der Lernplan.
Der Lernplan... nun ja - ich hatte mir die Sache etwas weniger stressig vorgestellt. Aber letzten Endes ist es eben sehr viel zu lernen und so "halb - präsent" sein geht eben eigentlich nicht, obwohl ich weiß, dass es nicht wenige solcher Tage geben wird. Die Puffer - Tage sind eigentlich nicht gedacht um frei zu nehmen, sondern um genau diese Tage auszugleichen.
Der Lernplan... nun ja - ich hatte mir die Sache etwas weniger stressig vorgestellt. Aber letzten Endes ist es eben sehr viel zu lernen und so "halb - präsent" sein geht eben eigentlich nicht, obwohl ich weiß, dass es nicht wenige solcher Tage geben wird. Die Puffer - Tage sind eigentlich nicht gedacht um frei zu nehmen, sondern um genau diese Tage auszugleichen.
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Mittlerweile sind die schon alle bunt markiert... |
Den Dezember
verbrachte ich dann wieder mehr oder weniger auf dem absteigenden Ast, konnte
aber dank des Kontakts in die Psychsomatik doch noch eine Gründe dafür heraus
finden und somit auch Schrauben ausmachen, an denen man jetzt drehen kann. Das
wird zwar eine große Herausforderung, aber unmöglich ist es sicher nicht, wenn
man zumindest mal weiß, woran man arbeiten kann und ich hoffe, dass es im Januar schnell besser weiter geht.
Kurzer Blick
auf nächstes Jahr.
Ich weiß nicht,
ob man das so absolutistisch sehen muss und irgendwelche großartigen Vorsätze machen sollte, von denen ich in der jetzigen Situation ohnehin nicht weiß, ob ich die einhalten kann. Oder ob ich einfach sagen sollte, dass
alles okay ist, solange es mir dabei gut geht.
Geplant ist es,
jetzt bis April den Lernplan zu verfolgen, dann das Examen zu schreiben und
dann habe ich noch einen Monat frei. Was ich in der Zeit mache, weiß ich noch
nicht.
Und dann
beginnt – wo auch immer – das PJ. Vielleicht werde ich den Großteil meines
Jahres sehr weit weg verbringen.
Vielleicht bin
ich in 12 Monaten auch dankbar für das Jahr. Vielleicht habe ich dort unten
irgendwie Fuß gefasst, Freunde gefunden, einen idealen Ort zum Arbeiten. Denn
trotz aller Ängste die das jetzt mit sich bringt, hatte ich schon meine Gründe,
so sehr an diesem Ort festzuhalten.
Vielleicht findet sich alles irgendwie. Ich kann mich nur erinnern, dass am Ende des Jahres 2015 die in der Ambulanz nicht so begeistert waren, dass sie mich nicht los werden (eigentlich ist das nämlich tatsächlich nur eine Durchgangsstation und ich weiß gar nicht, warum ich da jetzt so lange bleiben darf...) und ich damals im Jahresrückblick geschrieben habe, dass ich Angst habe in ein paar Monaten wieder allein da zu stehen und diese Stütze zu verlieren. Letzten Endes bin ich jetzt diejenige, die der Sache ein Ende setzt und rein rational betrachtet kann ich mein Leben auch nicht um die Ambulanz herum aufbauen. Wir werden nur kaum Zeit haben, die Sache zu irgendeinem Abschluss zu bringen. Das vor dem Examen anzugehen wird nicht funktionieren, weil mich das zusätzlich zu sehr belasten wird und danach haben wir noch einen Monat Zeit, um mich von der Ambulanz zu lösen. Es wird schon relativ abrupt werden und ich weiß, dass das für mich eine Katastrophe werden wird. Ich weiß nicht, ob ich an der Stelle zu hart zu mir selbst bin, aber da werde ich wohl durch müssen...
Vielleicht findet sich alles irgendwie. Ich kann mich nur erinnern, dass am Ende des Jahres 2015 die in der Ambulanz nicht so begeistert waren, dass sie mich nicht los werden (eigentlich ist das nämlich tatsächlich nur eine Durchgangsstation und ich weiß gar nicht, warum ich da jetzt so lange bleiben darf...) und ich damals im Jahresrückblick geschrieben habe, dass ich Angst habe in ein paar Monaten wieder allein da zu stehen und diese Stütze zu verlieren. Letzten Endes bin ich jetzt diejenige, die der Sache ein Ende setzt und rein rational betrachtet kann ich mein Leben auch nicht um die Ambulanz herum aufbauen. Wir werden nur kaum Zeit haben, die Sache zu irgendeinem Abschluss zu bringen. Das vor dem Examen anzugehen wird nicht funktionieren, weil mich das zusätzlich zu sehr belasten wird und danach haben wir noch einen Monat Zeit, um mich von der Ambulanz zu lösen. Es wird schon relativ abrupt werden und ich weiß, dass das für mich eine Katastrophe werden wird. Ich weiß nicht, ob ich an der Stelle zu hart zu mir selbst bin, aber da werde ich wohl durch müssen...
Und in puncto
Doktorarbeit… - ich könnte sagen: Ich hoffe in einem Jahr ist das Ding fertig.
Aber das schreibe ich seit 3 Jahren an das Ende des Jahresrückblickes. Es ist
nicht sehr wahrscheinlich. Jedenfalls nicht mit dieser Arbeit - vielleicht höre ich ja auch mal auf den allgemeinen Rat um mich herum und beginne eine neue Arbeit während meines PJs. Ich habe ja viele lange und einsame Abende - die kann ich durchaus auch mit Fachliteratur und Datenauswertung verbringen. Nur eine experimentelle Arbeit würde ich jetzt nicht nochmal versuchen wollen. Es war zwar eigentlich mein Anspruch wenn ich das schon mache etwas experimentelles zu tun, aber letzten Endes muss man sagen, dass da halt kein Hahn nach kräht.
Für mich selbst würde ich mir einfach wünschen ein bisschen stabiler und ein bisschen glücklicher zu werden. Ich würde mir gerne auch mal schöne Dinge erlauben können, ohne dabei maximal gestresst zu sein oder die Zeit dann irgendwo anders ausgleichen zu müssen. Ich würde gerne mehr in dem Moment, mehr im Jetzt leben. Denn bei allen Zukunftsplänen, die das nahende Ende des Studiums jetzt mit sich bringt, lebe ich immer noch im Jetzt.
Ich würde mir wünschen - wo auch immer ich dann bin - einige schöne Tage im Sommer verleben zu können. Ob ich nun immer noch hier in meiner Stadt bin und mich nach wie vor mit den Kommilitonen treffe oder ganz weit weg bin und meine Nachmittage vielleicht mit einem Buch auf einer Bank an der nahe gelegenen Burg verbringe, weiß ich noch nicht. Aber die Hauptsache ist, dass es für mich in dem Moment okay ist.
Und auch wenn meine Therapeutin Tagebruch schreiben nicht für die beste Idee hält (und noch schlimmer sind Jahresrückblicke... ;) ), so wird der Blog sicher doch noch weiter Bestand haben. Denn so lange wie mein Kopf denken und meine Finger tippen können, habe ich hier eine ideale Nische gefunden. Ich kann gar nicht sagen warum, aber es nimmt Druck raus, hier jeden Abend meinem Tag Raum geben und ihn ablegen zu dürfen.
(Und an der Stelle bedanke ich mich auch für alle Mails, die mich von Zeit zu Zeit hinsichtlich des Blogs erreichen).
Für mich selbst würde ich mir einfach wünschen ein bisschen stabiler und ein bisschen glücklicher zu werden. Ich würde mir gerne auch mal schöne Dinge erlauben können, ohne dabei maximal gestresst zu sein oder die Zeit dann irgendwo anders ausgleichen zu müssen. Ich würde gerne mehr in dem Moment, mehr im Jetzt leben. Denn bei allen Zukunftsplänen, die das nahende Ende des Studiums jetzt mit sich bringt, lebe ich immer noch im Jetzt.
Ich würde mir wünschen - wo auch immer ich dann bin - einige schöne Tage im Sommer verleben zu können. Ob ich nun immer noch hier in meiner Stadt bin und mich nach wie vor mit den Kommilitonen treffe oder ganz weit weg bin und meine Nachmittage vielleicht mit einem Buch auf einer Bank an der nahe gelegenen Burg verbringe, weiß ich noch nicht. Aber die Hauptsache ist, dass es für mich in dem Moment okay ist.
Und auch wenn meine Therapeutin Tagebruch schreiben nicht für die beste Idee hält (und noch schlimmer sind Jahresrückblicke... ;) ), so wird der Blog sicher doch noch weiter Bestand haben. Denn so lange wie mein Kopf denken und meine Finger tippen können, habe ich hier eine ideale Nische gefunden. Ich kann gar nicht sagen warum, aber es nimmt Druck raus, hier jeden Abend meinem Tag Raum geben und ihn ablegen zu dürfen.
(Und an der Stelle bedanke ich mich auch für alle Mails, die mich von Zeit zu Zeit hinsichtlich des Blogs erreichen).
Wir beschreiben
die letzte Seite eines Buches. Klappen es zu und stellen es in den Schrank.
Wieder mal ein Jahr geschafft. Wieder mal ein Jahr überlebt.
Und ich werde mich oft zurück erinnern an die guten Momente des Jahres, an die Momente, in
denen die Hoffnung wie ein kleines Licht im Dunkel zum Vorschein kam, an die
Menschen, denen ich in diesem Jahr begegnet bin. An die Momente, die
Wendepunkte waren und die Momente, deren Bedeutung ich erst viel später
verstanden habe. An die Momente, in denen jemand mein Leben doch mal einen
Augenblick mitgetragen hat und die Momente, in denen ich ganz viel Dankbarkeit
gefühlt habe, dass ich sie erleben durfte.
Es hatte seine
Höhen und Tiefen – dieses Jahr. Vielleicht die höchsten Berge und tiefsten
Täler, durch die ich in meinem Leben je gegangen bin. Aber ich möchte trotz allem
nicht missen, was ich in den letzten zwölf Monaten erlebt habe.
„Tomorrow ist the first blank page of a 365 day book. Write it a good
one“
(Brad Praisley)
Ein frohes, gesundes, glückliches und erfolgreiches neues Jahr wünsche ich allen Lesern!
Mondkind
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