Ein bisschen Alltag

Das Herz ist leer, der Kopf zu voll.
Nichts gelingt und alles soll
der nächste Tag das reicht als Ziel.
Der nächste Tag ist schon das Ziel.

(Alexa Feser – Gold von morgen)


Nächster Tag geschafft.
Langsam kommen die Erinnerungen auch an das wieder, an das ich mich bisher nicht mehr erinnern konnte.
Heute Nacht ist mir schlagartig eingefallen, dass U – Kurs in Pädiatrie bedeutet, dass wir einen Kittel mitbringen müssen. Und ein Stethoskop wäre auch nicht schlecht.
Damit ich es nicht vergesse, bin ich mitten in der Nacht aufgesprungen und habe beides neben meine Tasche gelegt.

Die ersten beiden Vorlesungen an diesem Morgen sind Gynäkologie.
Die zweite Vorlesung hat das Thema Reproduktionsmedizin und natürlich ist auch das derselbe Typ wie damals. Ein sehr enthusiastischer Mediziner, der für sein Fach lebt und die Vorlesung sehr locker gestaltet. Die ist hängen geblieben. Schon damals.
Und – das stelle ich immer wieder fest – an manchen Stellen sagen die Dozenten echt haargenau dasselbe, ohne, dass es dazu einen Stichpunkt auf den Folien gäbe. Nur in meinen Notizen ist es schon mit aufgeführt und mit einem dicken Ausrufezeichen versehen.
(Und am Ende der Appell: Die biologische Uhr tickt nicht erst mit 40 Jahren. „Sehen Sie zu, dass Sie bis dahin ihre Kinder bekommen haben – ansonsten gibt es – wenn es sich im Vorfeld schon abzeichnet - auch noch die Möglichkeit Eizellen einfrieren zu lassen. Denken Sie Sie darüber nach…
Und auf der anderen Seite habe ich die Oberärzte aus dem kardiovaskulären Praktikum im Ohr: „Bekommen Sie bloß kein Kind während Ihrer Facharztausbildung. Sonst bringen Sie die nie zu Ende…
Die Frage ist dann halt auch: Möchte ich, dass mein Kind so alte Eltern hat?
Das mit den Kindern wird tatsächlich schwierig… aber in meinem Fall fehlt dazu ja auch immer noch der Freund…)

Eine neue Vorlesung gibt es heute auch für mich – die ist nämlich damals ausgefallen: Gehalten wird sie von der Chefin der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Thema ist neben ADHS und der aktuellen Problematik durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch Suizidalität im jungen Erwachsenenalter. Puh… schwierig. Und dann kommen auch noch super schlaue Aussagen aus dem Plenum wie: „Die Rate der vollendeten Suizide ist ja aber gerade bei Jugendlichen recht gering. Also kann ich doch in der Notaufnahme davon ausgehen, dass das im Prinzip nur appellativen Charakter hat. Kann ich den Patienten dann nicht nach Hause schicken?“
Übel nehmen kann man es ihnen vielleicht nicht. Andere Leute beschäftigen sich damit so viel, wie ich mit Dermatologie – also so ziemlich gar nicht.

Am Nachmittag beehrt uns noch die Pädiatrie, ehe wir noch den besagten U – Kurs haben. Für mich ein kleiner Graus. Ich verstehe ja nicht, warum so viele Studenten Kinderärzte werden wollen. Kinder sind süß, ja – solange, wie sie nicht krank sind. Wenn ich einem Kleinkind ins Ohr schauen soll und das schon anfängt zu brüllen, wenn ich mich nur mit dem Otoskop nähere, dann tut es mir einerseits leid das Kind – für sein Empfinden – so quälen zu müssen und mir laufen aber auch Bäche von Schweiß den Rücken hinab, weil ich mit dem Umgang der Situation völlig überfordert bin.
„Das muss man ausblenden“, pflegen die Pädiater dann zu sagen. „Kinder können auch relativ schnell verzeihen; die sind da nicht so nachtragend…“
Und um 17:30 Uhr ist endlich Schluss für heute.

Zwischenzeitlich habe ich auch dem Blockkoordinator nochmal geschrieben, weil ich ja im Prinzip immer noch „illegal“ auf der Schiene unterwegs bin, aber der scheint Zeit zu haben…

Heute Abend habe ich dann mal angefangen mich durch den Stapel an Vorlesungen von heute zu wühlen. Mit Gynäkologie bin ich fast fertig geworden und Psychiatrie ist zumindest ausgearbeitet. Das hat viel länger gedauert als geplant, weil das zugehörige Dokument, das es im Internet zur Verfügung gab, überhaupt nicht mit der Vorlesung zusammen gepasst hat.

Und jetzt… werde ich gleich ins Bett gehen…
Morgen wartet dann eine Neuro – Vorlesung auf mich. Ich konnte es ja nicht lassen, mir noch ein Wahlfach zu angeln… Aber ich bin gespannt.

Alles Liebe
Mondkind

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