Semestervorbereitung



Nächste Woche geht das Studium wieder los.
Für Mondkind die letzten acht Wochen, die aus Seminaren, Vorlesungen und Praktika bestehen.
Es ist der Studienblock, mit dem sie schon einmal begonnen hat und da sie die meisten Vorlesungen für die erste Woche schon gedruckt hat, muss sie das ja nicht nochmal tun.
Sie zieht die Ordner aus ihrem Schrank hervor, in die sie seitdem nicht mehr hinein gesehen hatte. Es sind die Mitschriften und Ausarbeitungen der ersten Woche. Genau genommen bis zum Freitagmittag.
Mondkind weiß auch nicht, warum ihr in dem Zusammenhang immer die Tränen in die Augen steigen.
Vielleicht, weil es für sie so enttäuschend ist, weil sie so traurig und so wütend ist, dass alles im letzten Semester noch so anders kommen musste.
Und nächste Woche – wenn sie in der Vorlesung sitzt, während die anderen aus ihrer alten Gruppe alle Examen schreiben – sie möchte nicht wissen, wie es ihr dann geht.
Dass ihre Therapeutin ausgerechnet in dieser Woche auf irgendeinem Kongress ist, ist super ungünstig. Den Termin hätte sie wahrscheinlich gebraucht.

Und während Mondkind die Unterlagen sortiert, geht für sie selbst aus diesen Mitschriften hervor, was für ein emotionaler Kampf das für sie damals war.
Es ist alles super ordentlich. Neben jeder Vorlesung steht das Datum, an dem sie gehalten wurde. Sonst ist Mondkind damit öfter mal etwas nachlässig. Die wichtigen Dinge wurden mit Lineal unterstrichen – nicht etwa mit freier Hand. So ein bisschen, als könnte sie sich selbst davon überzeugen, dass sie so viel Arbeit und so viel Aufwand nicht einfach aufgeben könne. Ein bisschen, als wäre jeder weitere Tag der auf die Art absolviert worden ist ein Beweis dafür, dass man doch nicht jetzt – wo das Semester wieder läuft – aufgeben kann.
Die Ausarbeitungen zur jeweiligen Vorlesung (wie gehaltvoll die sind, weiß Mondkind gerade noch nicht – das hat sie nicht mehr fertig gebracht, die sich anzusehen), sind nicht am PC, sondern handschriftlich geschrieben. Auch das macht sie sonst fast nie. Handschriftlich, weil man ja nie weiß, wo man die würde lernen müssen. Würde man im spannenden Moment einen Drucker zur Verfügung haben?
Auch hier hat alles seine Ordnung, die Formatierung ist durchdacht und alles in den richtigen Farben angestrichen.
Und irgendwie… Mondkind hat ja damals geglaubt, dass sie das Semester und die Klinik irgendwie parallel hinbekommen könnte – auch wenn sie nie darüber nachgedacht hat, wie das funktionieren soll.
Allein die Art, in der die Zettel gestaltet wurden, zeigt die Zerrissenheit von damals. Einerseits der Wunsch, dass das endlich alles vorbei ist und die sie in die Klinik gehen kann – daher eben handschriftlich. Und andererseits – wie auch in den Vorlesungen – die Beweisführung, dass das jetzt doch nicht mehr geht durch die übertriebene Ordnung auf den Zetteln.

Mondkind weiß nicht, ob sie mit den Notizen je wird lernen können.
Vielleicht wird sie auch einfach alles neu machen.
Vielleicht wird sie die Vorlesungen neu ausdrucken, einen neuen Stundenplan schreiben und neue Ausarbeitungen zu den Themen schreiben.
Es ist super viel Aufwand und super viel Zeitverschwendung, aber sie hält das einfach nicht aus.

Und was wollte sie heute eigentlich noch machen?
Klinische Chemie zusammenfassen. Ein paar Stunden hat sie heute Morgen schon gearbeitet, aber es reicht noch nicht.
Gleich geht sie erst mal mit einem ehemaligen Mitpatienten einen Kaffee trinken, danach fährt sie noch im Labor vorbei und dann muss sie heute Abend noch das Script weiter bearbeiten.
Aber jetzt braucht sie eine Pause – weniger von der klinischen Chemie, sondern mehr vor ihr selbst, den vielen Gedanken, den Fragen, auf die es nie eine Antwort geben wird. Denn keiner weiß „was passiert wäre wenn…“

Alles Liebe
Mondkind

P.S. Heute scheint Denkschleifen - Tag zu sein... ich hoffe, das bleibt der letzte Eintrag für heute... damit ich wenigstens noch ein bisschen was schaffe...

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