Stille und Alarm
Im Labor wird es nicht langweilig.
Das Gebäude ist erst ein halbes Jahr alt, aber die Fliesen auf dem
Flur vor dem Labor waren bereits jetzt so locker, dass sie neu verlegt werden
müssen.
Deshalb muss ich seit ungefähr einer Woche immer durch den Keller der
Anatomie laufen, um dann von hinten in das Labor gelangen.
Und der Keller… nun ja, ich verstehe mittlerweile, warum den nur
ausgesuchtes Personal betreten darf und nicht etwa eine Medizinstudentin, die
auf der Suche nach ihren verlorenen Herzen ist und dabei eventuell jeden Winkel
auseinander nimmt. Das war meine Situation vor ungefähr einem Jahr. Aufgetaucht
sind die übrigens nicht mehr…
Jedenfalls… dieser Keller mit seiner spärlichen Beleuchtung, den
unglaublich vielen Türen von denen einige klemmen und halb offen stehen und in
dem die Rohre und Kabel von der Decke gakeln – das ist schon eine Erfahrung.
Und es ist auch ein Sammelsurium von lauter Dingen, von denen man
wahrscheinlich nicht wusste, wo man sie bei Tageslicht lagern soll.
Das reicht von einem ganzen Stapel Leuchtröhren, über Holzpaletten
und Sandsäcken, bis hin zu alten Kühltruhen.
Und die Spuren auf dem Boden… über die will ich gar nicht nachdenken.
Ich hoffe jedenfalls jeden Morgen inständig, mich nicht zu verlaufen.
Ansonsten ist es reichlich unglücklich, dass nebenan der
Autoklavierdienst tätig ist und das Gebäude einfach nicht für diese riesigen,
stromfressenden Geräte ausgelegt ist.
Am Dienstag saß ich vor meinem Mikroskop und habe gerade meine
Präparate mikroskopiert und Fotos gemacht, als mit einem Schlag der Krach im
Labor verstummte und die letzten Geräte noch ein ersticktes Summen von sich
gaben, ehe die Minus – 80 – Grad – Kühltruhe lautstark Alarm schlug, weil sie
keinen Strom mehr hatte.
Stromausfall… - hatten wir ja lange nicht. Insgesamt ist es das
sechste Mal seit Februar, als das neue Gebäude für die Laborarbeit frei gegeben
wurde.
Zum Glück war ich nicht gerade mitten in einer Versuchsreihe und mir
ist dadurch nur rund eine halbe Stunde Arbeit am Mikroskop verloren gegangen.
Die Zeit haben wir genutzt, um Mittagspause zu machen
(Nur blöd, dass unser Biologiestudent eine Tütensuppe dabei hatte… der
Wasserkocher funktionierte natürlich auch nicht…)
Am Mittwochmorgen war ich schon eine Weile wach, ehe ich die Beine aus
dem Bett schwang und schon ein wenig früher als sonst meinen Kaffee kochte. Die
gewonnene Zeit, die ich sonst ohnehin nur im Bett vertrödelt hätte nutzte ich,
um noch ein paar Mails auf Reise zu schicken und dann machte ich mich noch im
Dunklen auf dem Weg ins Labor.
In der Ferne hörte ich Sirenen heulen und ich fragte mich, was es an
diesem Morgen wohl für einen großen Notfall gegeben hatte. „Das wäre ja jetzt
der Knaller, wenn das die Anatomie wäre“, dachte ich mir nur.
Während ich die lange Straße, die durch die Universität führt entlang fuhr,
wurde der Verkehr immer schleppender und ich schätzte mich glücklich mein
Fahrrad dabei zu haben. Auch wenn solche morgendlichen Behinderungen die
Autofahrer meistens noch ungnädiger werden lassen und nicht selten irgendwelche
waghalsigen Manöver gestartet werden (aber Hilfe ist ja direkt um die Ecke… ;)
).
Als ich nur noch eine Kurve von meinem Ziel entfernt war erkannte ich
schon, wie das Blaulicht die Dunkelheit zerschnitt und als dann das Anatomie –
Gebäude in Sicht kam, bestätigte sich der Verdacht.
Die gesamte Auffahrt zur Anatomie war mit Feuerwehr- und Krankenwagen –
Autos zugestellt.
Dass es tatsächlich brannte, war höchst unwahrscheinlich.
Ich stellte das Fahrrad ab und lief zu den Mitarbeitern, die vor dem
Gebäude warteten. Die „Übeltäterin“ erklärte mir auch gleich, was passiert war.
Sie habe den Autoklaven geöffnet (das ist so etwas wie eine Riesen –
Spülmaschine) und der aufsteigende Dampf hat den leicht ungünstig angebrachten
Rauchmelder aktiviert, der wiederum direkt mit der Feuerwehr gekoppelt ist.
Auch für die Feuerwehr ist die Anatomie ein bekannter Ort. Es war
bereits das fünfte Mal, dass der Fehlalarm eines Rauchmelders die Einsatzkräfte auf
den Plan gerufen hatte. Nur habe ich das bisher nie miterlebt, weil ich ja im
Sommer nicht so häufig dort sein konnte.
Zwanzig Minuten später gab die Feuerwehr das Gebäude wieder frei und
wir konnten das Labor betreten. Unser armer MTA war an diesem Morgen überhaupt
nicht zu beruhigen. Stromausfall und Feueralarm an zwei Tagen hintereinander,
war einfach ein bisschen viel.
„Das Gebäude wurde zum Anschauen gebaut, aber nicht zum Arbeiten“,
pflegt er zu sagen.
Zumal ich seinen Unmut auch verstehen kann, der ja auch mich betrifft.
Warum kann man nicht endlich die Sicherung vernünftig einstellen und die
Feuermelder gescheit anbringen? Jeder unnötige Feuerwehreinsatz im Sinne eines
Fehlalarms kostet die Uni 1600 Euro. Während die Uni also fast 10.000 Euro in
den Wind schießt, musste ich meine Versuche mit alten Herzen machen, weil man
sich frische Herzen ja nicht leisten könne…
Darüber kann man jetzt ja mal nachdenken…
Alles Liebe
Mondkind
(P.S.
Es war dann übrigens sehr amüsant, als wir in der Ambulanz später auf
die Sirenen am Morgen zu sprechen kamen und ich zugeben musste, dass unser
Institut das war…)
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