For the last time
Semesteranfang.
Ein letztes Mal.
Hoffe ich zumindest.
Ich bin gespannt, wie es morgen wird.
Die einführenden Worte zu hören, die ich vor einem halben Jahr schon
mal gehört habe. Die Dozenten zu sehen, die ich vor einem halben Jahr schon mal
gesehen habe. Und in demselben Hörsaal in der Gynäkologie zu sitzen, in dem ich
auch vor einem halben Jahr schon mal gesessen habe.
Es ergibt sich nochmal die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen.
Ein halbes Jahr später.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages so lebe, wie
ich das derzeit tue.
Und, dass es in meinem Leben Freundschaften gibt, die sich auf mehr
als die Uni beschränken.
Es gibt viele Menschen die behaupten, dass ich in der Klinikzeit sehr
viel geleistet habe. Und zumindest was meine Lebenssituation anbelangt, kann
ich das nachvollziehen. In 12 Wochen mal eben alles zu ändern, ist schon… nicht
ohne.
Aber was die emotionale Seite angeht…
Ich glaube, die Tiefs sind tiefer geworden, wenn sie denn kommen.
Früher habe ich mir glaube ich immer eine „Berechtigung“ und einen
Grund für die Tiefs eingeredet. Die alte Lebenssituation war aufgrund der Pendelei
sehr belastend und wie der Oberdoc zu sagen pflegte „katastrophal“. Das war nun
ein wenig übertrieben – meiner Meinung nach - weil es gut hätte sein können, wenn es die
gleiche Situation in meiner Studienstadt gewesen wäre.
Jedenfalls… - jetzt gibt es den Grund nicht mehr. Was mir in der
Klinik immer mehr klar geworden ist war, dass ich eigentlich gar keine Ahnung
habe, warum es mir geht, wie es mir geht. Es gibt keine Gründe für die
regelmäßigen Abstürze, was es noch schwieriger macht, das zu akzeptieren.
Ich weiß, dass es die bei depressiven Menschen nicht geben muss. Und
ich glaube, ich habe immer gehofft, dass ich das doch alles gar nicht habe.
Dass es wirklich nur mit der Situation zusammen hängt die mich überfordert und
wie oft habe ich gehört: „Mondkind – das was Du täglich machst: das könnte ich
gar nicht.“
Ich habe gehofft, dass diese
Hoffnungslosigkeit, die Leere und die Sinnlosigkeit sich dann von alleine gibt,
dass nicht mehr so viel Druck auf mir lastet und ich etwas lebensfroher werde.
Manchmal frage ich mich, ob ich nicht doch noch in der Klinik hätte
bleiben sollen. Ich habe mir die Einträge alle nochmal durchgelesen und man
erkennt da wirklich eine Kurve. Am Anfang die Zweifel, ob das alles richtig
ist, zwischendurch Einträge, die ganz viel Dankbarkeit wieder spiegeln und
dadurch positiv sind. Und ganz am Ende wieder eine ganz steile Abwärtskurve.
Aber andererseits: Was hätten die noch machen wollen? Außer an den
Medikamenten herum drehen? Außer vielleicht irgendwann auf andere Methoden
zurück greifen wie EKTs und / oder Ketamin, was mir der Stationsarzt schon
angekündigt hatte, wenn ich bleibe. Ob das in Rücksprache mit dem Oberdoc war
weiß ich allerdings nicht. Ich dachte immer, das wäre so ein bisschen ultima
ratio.
Letzten Endes frage ich mich was passieren würde, wenn ich mir nochmal
Zeit nehmen würde und es nochmal mit der Klinik versuchen würde. Ob das etwas
bringen würde. Denn seien wir mal ehrlich: In dem jetzigen Zustand werde ich
das unmöglich jahrelang durchhalten.
Aber wie geht es dann mit dem Krankenhaus weiter, in dem ich mal
arbeiten möchte? Ich habe erst letztens mit jemandem gesprochen, der mir
erklärt hat, dass im Moment in Deutschland überall an jedem Krankenhaus Stellen
frei sind.
Vielleicht mache ich mich hier vollkommen verrückt es alles unbedingt
jetzt schaffen zu müssen, dabei wäre es gar nicht schlimm, wenn es noch ein
halbes Jahr länger dauern würde und es mir damit besser gehen würde.
Denn so im Grundsatz bin ich schon bei den Ärzten der Klinik: Was ist
am Ende ein halbes oder ganzes Jahr hoch gerechnet auf das Leben? Nicht so
unfassbar viel. Aber jedes Jahr, in dem ich hier weiter vor mich hin existiere
ohne zu wissen, was das hier alles soll ist im Endeffekt verschwendete
Lebenszeit.
Was mich so emsig weiter arbeiten lässt ist im Grunde nur, dass ich halt
dieses eine Krankenhaus im Blick habe und die genau wissen, wann ich fertig
sein müsste.
Aber vielleicht würden sie mich auch nehmen, wenn es später werden
würde. Es kann ja auch an der Doktorarbeit oder whatever gelegen haben.
Ich habe einfach die Befürchtung, dass ich mich vollkommen unnötig
unter Druck setze. Und dass Leben mehr sein kann, als den Tag irgendwie über
die Bühne zu bringen, habe ich ja nun gelernt.
Ich habe auch gelernt, wie wenig das Leben planbar ist. Zu Beginn
meiner Klinikzeit war eine meiner Hauptsorgen, nun noch einen Winter pendeln zu
müssen und gerade wenn es kalt auf den Bahnhöfen ist oder aufgrund von Schnee
gar nichts erst fährt, ist das wirklich nicht mehr lustig. Und jetzt… - ja, ich
pendle noch einen Winter. Aber in meiner Studienstadt schneit es nicht oft.
Vielleicht sollte man sich einfach nicht immer so viele Gedanken
machen. Es kommt ohnehin alles anders und eine Lösung findet sich immer.
Ich bin gespannt, was ich hier morgen Abend schreibe.
Ich weiß ehrlich nicht, wie ich die Woche überleben soll. In der
Ambulanz ist niemand da, den ich kenne, die Kommilitonen schreiben Examen, die
kann ich auch nicht nerven.
Und überhaupt… wer versteht das schon…? Ich verstehe es ja selbst
nicht. Irgendwie.
Und manchmal fürchte ich, dass meine größte Angst gar nicht die
emotionale Belastung der nächsten Woche ist – wenngleich man die nicht
abstreiten kann – sondern, dass ich einfach Angst habe, es auch ein zweites Mal
nicht zu packen. Und dass das Verständnis aller Beteiligten beim zweiten Mal
einfach begrenzt wäre.
Und das letzte Mal war es irgendwie noch Schadensbegrenzung. Ich war
mir ohnehin nicht sicher, ob ich das mit dem Examen in der knappen Lernzeit
schaffe, zumal ich noch eine Doktorarbeit habe, die auch noch zu einem Ende
gebracht werden will. Ein Freisemester wäre taktisch gesehen auch ohne die
Klinikzeit sinnvoll gewesen, auch wenn ich mir das wahrscheinlich nicht erlaubt
hätte.
Und wenn es die Uni nicht geben würde – oder zumindest den Druck
dahinter nicht – wäre ich schon wieder in der Klinik, weil es so einfach furchtbar ist.
Aber beim nächsten Mal wäre es keine Schadensbegrenzung mehr. Es würde
mich noch ein halbes Jahr kosten und irgendwann sind auch die Scripte veraltet,
die auch eine ganze Stange Geld gekostet haben und je öfter man scheitert,
desto schwieriger macht man es sich auch.
Und wenn man bedenkt, dass es aufgrund meiner in den letzten Posts
viel diskutierten Verantwortung zwingend notwendig ist den eingeschlagenen Weg
weiter zu gehen, gibt im Prinzip nur eine Lösung: Augen zu und durch.
Nur, dass der menschliche Körper leider nicht immer so funktioniert.
Alles Liebe
Mondkind
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