Prioritätensetzung
Ich weiß
wirklich nicht, was gerade los ist.
Ich glaube
mit der Prioritätensetzung haut es einfach überhaupt nicht hin.
Ich habe das
Gefühl, dass alles wichtig ist und alles jetzt in naher Zukunft erledigt werden
muss.
Die
Doktorarbeit ist jahrelang so nebenbei gelaufen und dass mal ein Versuch funktioniert
– daran hat ohnehin keiner geglaubt. Als ich an meinem alten Wohnort gelebt
habe, habe ich mich rund ein Mal im Monat dazu entschlossen, mittwochmorgens ins
Labor zu fahren. Das habe ich dann auch immer gegen Ende der Woche gemerkt,
dass ich auch am Mittwoch noch um 5 Uhr aus dem Bett gesprungen war und abends
länger am Schreibtisch saß, um die auf den Schienen verlorene Lernzeit wieder
rein zu holen.
Im Prinzip
dienten diese Besuche nur dazu sich mal im Labor zu zeigen, um den Eindruck von
Motivation zu erwecken. Richtig etwas zu tun gab es ja meistens nicht.
Und ehrlich
gesagt war ich auch gar nicht so böse darüber, dass nichts funktioniert hat.
Wie hätte ich denn das noch machen wollen, wenn mein Chef so viel Präsenz im
Labor wie das im Moment der Fall ist, erwartet hätte?
Jedes Mal
wenn ich an meinem Schreibtisch sitze, kommt mir der Gedanke, dass ich gerade
die Doktorarbeit vernachlässige. Und wenn ich im Labor bin, dann habe ich Angst
das Studium zu vernachlässigen und durch die Klausur zu fallen.
Manchmal
merke ich richtig, wie mein Herz anfängt zu rasen und mich eine ganz tiefe
Verzweiflung überfällt, weil ich einfach nicht weiß, wie das gehen soll.
Die alten
Muster von früher kommen wieder hoch.
Dieses „Du
darfst keine Pausen machen“. Und „Du darfst nicht schlafen, bevor nicht alles
erledigt ist.“ Und „Du musst den ganzen Tag effektiv arbeiten“. Texte wie
dieser hier dürften im Prinzip gar nicht entstehen. Das funktioniert dann am
Ende doch wieder, wenn ich auf die Uhr schaue und die „verlorene“ Zeit hinten
dran hänge.
Und
irgendwelche privaten Dinge zum reinen Vergnügen zu tun, geht ja eigentlich
schonmal überhaupt nicht – da dreht mein Hirn dann völlig am Rad.
Es ist ein
bisschen die Frage, wie ich damit umgehe. Im Moment versuche ich das Geschrei
in meinem Kopf mal dezent zu ignorieren und so schwer es mir fällt – trotzdem nicht
so viel an meiner Tagesstruktur zu verändern.
Es ist mir
ohnehin nicht gelungen allzu viel von den erlernten Dingen mit in den Alltag zu
retten. Das meiste davon ist halt nicht kopf- sondern gefühlsgesteuert und das
geht dann eben mit dem alltäglichen Trott, dem Stress und den Erwartungen ganz
schnell verloren. Da sollte es jetzt nicht noch weiter zurück in alte Muster
gehen.
Ich weiß
halt nicht, wie lange sich das noch so halten lässt. Bevor ich mich selbst dann
in die völlige Verzweiflung bringe, weil ich so konträr zu meinem Kopf handele,
gebe ich ihm vielleicht am Ende doch wieder nach – ich weiß es nicht.
Ich glaube,
ich werde mich heute Abend nochmal hinsetzen und nochmal dieses Quadrat von „Wichtigkeit“
und „Dringlichkeit“ aufmalen. Das habe ich in der Therapie mal gemacht und es
war eigentlich ganz nützlich, weil es hilft zu entscheiden, dass manche Dinge
einfach wirklich gerade nicht so wichtig sind.
Und
eigentlich ist mir auch schon klar, was da raus kommt. Die Klausur zu bestehen
ist jetzt erst mal das Wichtigste; um die Vorbereitung des Examens kann ich
mich dann wieder von Anfang bis Mitte Dezember kümmern. Die Doktorarbeit kommt
danach, denn ohne Abschluss nützt die ganze Doktorarbeit nichts. Das kann ich
meinem Chef natürlich nicht so sagen und der erwartet meine Präsenz im Labor,
sodass sich die Katze da irgendwie in den Schwanz beißt…
Alles Liebe
Mondkind
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