Wenn...



Wenn Du morgens aufstehst und nicht weißt, ob Du es schaffst.
Wenn Dir der Tag wie ein endlos hoher Turm vorkommt, den Du erklimmen musst.
Wenn Du nicht weißt, ob Du heute zwischendurch völlig zusammen klappst, weil Du fühlst, dass Du an der Grenze gehst. Aber bisher ist es eben nur ein Gefühl. Man sieht (noch) nichts.
Wenn Du die Menschen im Hörsaal meidest.
Wenn Du nicht sprichst, wenn Du einfach gar nichts sagst, Dich nur stumm auf einen Platz ganz außen in der Bank setzt. Weil Du ja ohnehin keinen kennst und Du nur sieben Wochen in dem Block bist und sich das dann ja auch irgendwie alles gar nicht lohnt mit den Kontakten.
Wenn jeder Stichpunkt den Du aufschreibst irgendwie ein bisschen mehr zu Deiner Ohnmacht beiträgt, weil Du weißt, dass Du das alles auswendig lernen musst und Du mit Deinem Matschhirn keine Ahnung hast, wie das gehen soll.
Wenn Du bedenkst, dass Du irgendwann wieder ins Praktikum musst. Irgendwann wieder mit Menschen interagieren musst, alles überspielen musst. Du weißt, dass Du das meistens kannst, aber Du dachtest auch immer, dass das niemals so endet, wie es am Ende war. Du fühlst Dich unsicher.
Wenn Du versuchst aufzuhören zu Denken. Und es stattdessen mit Leben zu versuchen.
Wenn Dein Kopf für Dich denkt, ohne dass Du weißt, was er tut und da irgendwann nur so viel Druck ist, dass Du das Gefühl hast, dass Dein Hirn platzt.
Wenn Du es endlich geschafft hast, nachmittags mit zitternden Händen und schon feuchten Augen heim fährst. Wenn Du beinahe die Autos übersiehst, weil Du so unkonzentriert bist.
Wenn Du die Haustür hinter Dir schließt, die Schlüssel auf den Tisch knallst, die Tasche in die Ecke stellst und Dich erstmal auf den Dein Bett schmeißt ohne die Jacke auszuziehen.
Wenn die Ohnmacht endlich Platz finden darf und es einfach mal ein paar Minuten nicht okay sein muss.
Wenn Du Dich irgendwann an Deinen Schreibtisch setzt, denn Du weißt ja, dass Du viel tun musst.
Wenn Du versuchst die Gedanken zu ordnen und es nicht geht.
Wenn wieder stundenlang nichts passiert.
Wenn Du gemessen am Arbeitspensum eine Einserkandidatin sein müsstest, aber doch nur im Mittelbereich liegst, weil da immer ein Kampf im Kopf zwischen Studium und Gedanken statt findet.
Wenn Du die alten Unterlagen raus ziehst. Handschriftlich.
Wenn Du das Datum oben rechts in der Ecke liest: 22. April 2017


Wenn Du Dich fragst, ob sich seitdem so viel geändert hat und Du nicht einfach nur anders ohnmächtig bist als früher.
Wenn Du begreifst, dass der alte Wohnort immer als Grund vorgeschoben wurde und er das aber gar nicht zu sein scheint.

Wenn Du einfach nicht mehr weißt, wie Du den nächsten Tag schaffen sollst und es doch irgendwie hinbekommen wirst.

***
Die anderen haben ihr Staatsexamen. Die whatsApp – Gruppe explodiert mit Fotos.
Ich werde gleich los fahren und nicht lang bleiben.
Zum Einen ist die Tatsache schwierig, dass ich da jetzt auch hätte stehen sollen und dass es nichts gibt, das mich objektiv gehindert hätte, das zu tun. Und zum Anderen, weil ich mich so schwer damit tue, die Vorlesungen von heute logischerweise nicht alle aufzuarbeiten und unproduktiv zu sein. Das war schon mal besser vor ein paar Monaten

Alles Liebe
Mondkind

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