Gedanken zum Wochenende


Der Spätsommer hat Einzug gehalten.

Welch ein Glück für alle Examensschreiber. Hätte ich Examen geschrieben und hätte ich den ganzen Sommer vor dem Schreibtisch gehangen und gedacht, dass es dieses Jahr gar keinen Sommer für mich gibt, hätte ich mich sicher gefreut, jetzt doch noch ein paar Tage Sommer zu haben und am Ende wahrscheinlich befunden, dass es doch alles irgendwie passt.

Hätte, hätte Fahrradkette….

Wann wird mein Hirn diese Gedanken los lassen…?



Aber es war trotzdem ein gutes Wochenende.

Ich muss im Moment ein Stimmungsprotokoll führen, damit wir vielleicht herausfinden, ob es für die regelmäßigen Krisen nicht doch einen Auslöser gibt, den man umgehen könnte, wenn er bekannt wäre. Ich sehe da noch nicht viel drin, aber vielleicht meine Therapeutin.

Jedenfalls – seit geraumer Zeit steht dieses Wochenende wieder ein „+“ hinter meinen Aktivitäten. Seit dem Treffen mit dem Oberdoc um genau zu sein. Nicht schlecht… !

 (Der war übrigens heute in meinem Heimatort unterwegs. Schon komisch ganz nett in Szene gesetzte Fotos der eigenen Heimat zu sehen. Wusste gar nicht, dass es so schön bei uns sein kann)



Gestern habe ich den ganzen Tag gelernt und ich war wirklich – das passiert selten – konzentriert bei der Sache und bin gut durch gekommen. Entsprechend gut war meine Laune, als ich am Abend eine Reihe von Punkten auf meinem Wochenendplan abgehakt hatte.

Heute bin ich auch früh aufgestanden und habe mich beeilt, um heute Nachmittag noch mit einem Freund Kaffee trinken zu können. So ab und an mal raus kommen, ist schon auch nicht schlecht. Ich meine… - ich war wirklich nicht so lange weg. Etwas über drei Stunden und man hätte das auch etwas kürzer halten können. Vielleicht geht so etwas ja selbst in Zeiten der Examensvorbereitung mal ab und an. Ich glaube, das kann wirklich motivieren. (Und früher habe ich allein vier Stunden am Tag in Bus und Bahn verbracht – da wird so etwas doch wohl mal drin sein…).



Wir saßen heute genau an dem Punkt, an dem ich immer aus der Straßenbahn gestolpert bin und so oft gehofft habe, dass die Ampel grün ist, ich schnell über die Straße rennen kann und gerade noch den Zug erwische. Und nicht selten habe ich ihn trotzdem verpasst. Dann bin ich meistens zum Bäcker gelaufen und habe mir wenigstens irgendetwas Leckeres zum Abendessen mitgenommen, bevor der nächste Zug kam.



Ich frage mich manchmal, wie das gewesen wäre, würde es einen Zeitumkehrer geben. Wie bei Harry Potter. Aber nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft. Und ich frage mich, was ich gedacht hätte, wenn ich mich selbst mit einem mir damals noch völlig unbekannten Menschen, gemütlich in diesem Café hätte sitzen sehen.

Wahrscheinlich wären mir beinahe die Augen ausgefallen. Nicht nur, weil ich mich selbst in der Zukunft gesehen hätte, sondern weil mir auch absolut schleierhaft gewesen wäre, wie ich an einem Sonntag genau dort hin komme und offensichtlich mitten im Semester noch Zeit finde, Kaffee trinken zu gehen.

Oder wie es wohl wäre, wenn ich mich anschließend selbst auf einem Fahrrad hätte durch die Uni radeln sehen. Es war immer mein Wunsch eines Tages auch mal mit dem Rad zur Uni fahren zu können, aber das der nochmal zur Realität werden würde?

Ob ich hätte erahnen können, auf welchem Weg das passiert ist?

Es ist eine interessante Vorstellung – finde ich – sich bewusst zu machen, wie sehr man seine eigenen Wege immer wieder kreuzt und wie viel Dynamik darin ist, die ich niemals für möglich gehalten hätte.



Wenn ich gerade mal ein bisschen besser drauf bin und an mehr als das Morgen denken kann, mache ich mir schon Gedanken um eine Zukunft.

Die Klausur am Ende des Blocks fällt auf den ersten Dezember, der 100 – Tage – Lernplan fängt offiziell am 31. Dezember an. Das bedeutet, ich hätte einen Monat Luft, den ich gut in die Doktorarbeit investieren kann.

Oder ich investiere diesen Monat nochmal in mich selbst. Ich weiß genau, dass meine Stimmungslage nicht lange so bleiben wird, wie es gerade eben ist. Auch wenn ich das wirklich genieße zwischendurch.

Meine Therapeutin meinte letztens, dass man sich schon nochmal Gedanken darüber machen muss, wie das langfristig weiter gehen kann. Sie denkt ja immer weiter als bis zum nächsten Tag. Tagesklinik stand letztens nochmal im Raum. Nicht mehr völlig raus aus den Strukturen, aber doch nochmal ein bisschen Zeit, um an der ein oder anderen Sache zu arbeiten.



Im Prinzip keine schlechte Idee. Nur… ich fürchte, das wird organisatorisch ein Problem. Die werden ja nicht genau nach meiner Klausur einen Platz haben und bis Ende Dezember sind es ohnehin nur vier Wochen. Die Kommilitonen aus meiner Gruppe kamen auch mit 76 Tagen hin, aber ich glaube, ich würde mir Vorwürfe machen, wenn ich diesen Stress selbst generiert habe. Für die Planung der Uni kann ich ja nichts, da hätte ich mir im Sommer keine Vorwürfe machen müssen.



Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das am Mittwoch mal ansprechen sollte. Ich möchte nichts tun, das ich hinterher bereue - wie schnell sich eine Entlassung verzögern kann, haben wir ja gesehen.

Und dennoch weiß ich, dass ich bis zum nächsten Frühjahr Wege finden muss, mich selbst zu halten und irgendwie von dieser Abhängigkeit von der Ambulanz weg zu kommen. Im PJ werde ich keine Zeit mehr haben dorthin zu gehen – jedenfalls nicht ohne großen organisatorischen Aufwand. Denn wenn mein Arbeitstag zu Ende ist, ist deren Arbeitstag es auch. Und wenn ich in die Neuro am anderen Ende von Deutschland gehe, ist das erst recht nicht möglich.

Es wird auch so irgendwie gehen (müssen) aber ich weiß, dass ich mich quälen werde und ich weiß nicht, ob es das am Ende bringt (vor gar nicht allzu langer Zeit war ich ja der Meinung die Klinik komplett ausgeschöpft zu haben), aber vielleicht würde mir das nochmal ein wenig mehr Stabilität geben, sodass ich irgendwann beruhigt in die Zukunft schauen kann.



Allen Lesern wünsche ich einen guten Wochenstart!



Alles Liebe

Mondkind

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