Tag 23 / 116 Gefäße I und ein paar Gedanken



Ich bin ja wirklich ein bisschen stolz auf mich.
Der Tag ist ohne irgendwelche Zusammenbrüche verlebt worden – und das obwohl die zur Verfügung stehende Lernzeit heute ein wenig begrenzt war.
Ich habe heute mit dem arteriellen Gefäßsystem begonnen. Ehrlich gesagt kam mir aber auch hier sehr viel bekannt vor. Da muss ich tatsächlich mal die Uni loben – wir hatten ein paar sehr gute Seminare in der Gefäßchirurgie. Ich kam relativ flott durch und habe aber zwischen 7 und 14:30 Uhr auch so viel Gas gegeben wie ich konnte, um durchzukommen.
Das ehrgeizige Ziel war es, bis zum Arzttermin das Lernpaket für heute gelernt zu haben. Hat nicht ganz geklappt. Eine Seite hat am Ende gefehlt. Aber ich hoffe immer, dass auf die letzten 2 Seiten eher unwichtige Dinge geschrieben werden… ;)

Anschließend war ich bei der Ärztin und dann noch einkaufen und dann war es auch schon halb 5. Ich brauchte erst mal einen Kaffee und dann ging es weiter mit der Wiederholung der Herzrhythmusstörungen.
Ich glaube ich habe eine neue „Lernmethode“. Wenn ich am nächsten Tag wiederhole merke ich ja, was noch nicht in mein Gehirn gerutscht ist und dann werden über die wichtigsten Dinge nochmal Notizzettel geschrieben. Vielleicht bleibt es allein beim Schreiben schon hängen und wer weiß – vielleicht gibt es ja noch eine dritte Wiederholrunde… - dann im Schnellverfahren.

Und das Kreuzen von Derma… - das ist tatsächlich ein bisschen Rätsel – Raten. Aber zumindest die Parasiten – Fragen kann ich ziemlich sicher beantworten, ohne das jemals richtig gelernt zu haben. Ich habe damals nur so viel überall gelesen und wahrscheinlich behält man das automatisch, wenn es einen selbst hätte differentialdiagnostisch betreffen können… Wer weiß, wozu das noch gut war. Am Ende ist das die entscheidende Frage, die zwischen „bestanden“ und „nicht bestanden“ differenziert…

Jetzt wiederhole ich gleich noch ein wenig Derma… - in der Hoffnung, dass dann wieder ein wenig mehr hängen bleibt, wenn ich die Inhalte jetzt auch noch mit Fragen verknüpft habe…

***
Ansonsten spukt mir unfassbar viel im Hirn herum. Dadurch, dass ich im Moment so wenig schreibe und so wenig Zeit zum Reflektieren habe, staut sich das glaube ich langsam.

Die Ärztin habe ich heute übrigens scheinbar auf dem richtigen Fuß erwischt. Also heute mal keine Aufregung nach dem Termin. Ich habe mich nur vorher wirklich verrückt gemacht. Ein bisschen kratzbürstig ist sie ja immer und ein wenig provokant irgendwie auch. Ich glaube, sie unterstellt mir so generell nicht genug dafür zu tun, dass es mir besser geht. Ich finde so instabil Examen zu machen ist ehrlich gesagt schon mehr als genug – da kann ich gerade nicht noch so viel nebenher machen.
Die in der Klinik haben mich damit auch immer genervt, aber am Ende gesagt, dass sie mir das nie zugetraut hätten, dass ich so viel ändere. Ich glaube, das ist Taktik… kommt aber nicht sehr einfühlsam rüber.
Aus den Gesprächsinhalten ging dann hervor, dass sie wohl tatsächlich mit meiner Therapeutin geredet hatte – also habe ich es heute mal mit Ehrlichkeit versucht. Sie war nicht so begeistert von meinen Ausführungen und ich bin auch nicht so glücklich darüber was in meinem Hirn gerade abgeht, aber wir haben uns geeinigt, dass ich über das Wochenende irgendwie komme (bzw. ich habe es ihr versprochen) und ab Montag kann ich mich ja wieder melden, wenn es nicht geht.

Ich glaube mir wird langsam wirklich klar, dass ich keine Ahnung habe, wie es nach dem Examen weiter geht. Da brodelt gerade ganz viel. Dadurch, dass ich aber gerade wirklich so ziemlich keine Zeit für nichts habe, kommt das nur in dem ein oder anderen Zusammenbruch hoch.
Es wird sich einfach alles ändern. Es wird so viel weg brechen.
Bisher ist immer das Examen das große Ziel. Weiter habe ich nicht ernsthaft gedacht. Dann habe ich noch genau einen Monat Zeit, um soweit stabil zu werden, dass ich irgendwie zurechtkomme. Das wird schwierig bis unmöglich.
„Wenn Sie dann merken, dass so gar keine Last von Ihnen abfällt und wohl doch nicht das Examen die Ursache war, können Sie sich ja immer noch Gedanken machen“, merkte die Ärztin heute an. Weil man in einem Monat auch so unfassbar viel reißen kann…

Ich weiß, dass mich keiner zwingt mein PJ so weit weg zu machen. Aber ich weiß auch, dass dieser Wahnsinn in meinem Kopf mir schon viel zu viel kaputt gemacht hat. Es gibt so viele Dinge, die für mich einfach nicht möglich waren und die dadurch verlorenen Erfahrungen und auch die Zeit kann mir keiner wieder geben. Das ist eine Tatsache, mit der ich lernen muss zu leben. Ich habe es mir nicht ausgesucht und ich wünsche das wirklich keinem.

Und jetzt ist wieder so ein Punkt, an dem ich mich entscheiden muss.
Hier bin ich gerade gut angebunden. Ich kenne meine Therapeutin und ich weiß, dass eigentlich nichts passieren kann, wenn ich das auf die Reihe kriege mich zu melden und es zuzugeben, wenn ich es nicht mehr schaffe. 
(Gerade heute hat die Ärztin noch fünf mal betont, dass meine Therapeutin die nächsten Wochen auch definitiv jeden Tag da ist und ich gebe es ja ungern zu - aber das ist wirklich beruhigend).
Aber ich lasse mir auf der anderen Seite nicht mehr vorschreiben, was ich zu tun habe. Ich werde das unfassbar bereuen, wenn ich da nicht runter fahre.

Im Moment habe ich das Gefühl, dass es ein Sprung ins kalte Wasser wird. Ob der Oberarzt dort wirklich einen Kontakt in die Psychosomatik herstellen kann, wird sich erst kurz vorher heraus stellen. Was die für Kapazitäten haben, weiß ich auch nicht. Ob es überhaupt geht, weiß ich nicht. Die haben eigentlich gar keine Ambulanz. Ich fürchte, das wird halt so absolut sporadisch bleiben.
Und dann wird sich zeigen, wer von uns beiden stärker ist. Der Wahnsinn in meinem Kopf oder Ich.
Und wenn es nicht ich selbst bin, dann weiß ich nicht, was dort unten passieren wird. Ich kann es wirklich nicht sagen. Und das macht mir so viel Angst.
Ich möchte einfach zurückkommen nach den acht Monaten und hier mein Studium fertig machen und nicht irgendwo zwischen hier und dort verloren gehen.

Alles Liebe
Mondkind

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