Psychiatrie #33 Über die Crux der Gefühle


I don't think I've ever told you
I wouldn't be me without you, no
And I want you to know
You're my strength and you're my weakness
God knows what could come between us now
To try and break us down, 'cause

Even if the world stopped turning
You'd be in my heart, still burning
Keeping it beating
And as long as I'm breathing
Then I will never give up on us

(Connie Talbot – Never give up on us)

„It sounds like a relationship song, but it’s actually about never giving up on my dream“

***
Es kann sein, dass nur ich dieses latente Zittern in mir spüre. Und von dem ich nicht mal weiß, wo es her kommt. Angst? Anspannung? Verwirrung?
Ehrlich gesagt hätte ich ja nicht gedacht, dass das allzuviel bringt – außer einige spannende Diskussionen – die Kindmodi mit ins Boot zu holen. Aber die Arbeit von Herrn Therapeuten scheint langsam Früchte zu tragen. Auch, wenn ich noch nicht weiß, wohin mich das führt.

Verwirrung.
Ich glaube, es ist alles in mir drin. Meine Träume. Aber auch meine Sorgen. Das Wissen, welche Hürden zu groß sind. An welchen ich definitiv scheitern werde. Gewusst habe ich das schon immer. Nur nicht wahr haben wollen.

In der Nacht scrolle ich meine Fotos durch. Sehe ein paar Ecken meiner Wohnung. Der Wohnung, die ich seit Wochen nicht betreten habe. Ein paar Fotos von meinem Arbeitsplatz. Von mir im Kittel.
Es rennt so sehr gegeneinander. Am liebsten würde ich morgen schon wieder arbeiten gehen. Die „alte Mondkind“ sein. Über die Flure fegen, ein offenes Ohr für alles und Jeden. Wie in "alten Zeiten", die schon jenseits meiner Grenzen waren, aber noch nicht genug für den Konzern. Ich möchte gerne Ärztin sein – auch, wenn ich ohne den Zwang Medizin zu studieren, vielleicht nicht drauf gekommen wäre. Glaube ich zumindest heute mal. Nur die Arbeitsbedingungen, das Tempo haben den Job zu diesem Schrecken gemacht, der er heute ist. Haben dafür gesorgt, dass ein Teil von mir heute so rebelliert, wieder einen Fuss in dieses Krankenhaus zu setzen.
Die Oberärztin hilft ein bisschen in der Visite. Versucht indirekt den Stress mit den Diensten zu beenden. Mache sie nicht häufig so sagt sie, aber in meinem Fall eben schon. Ob das so „einfach“ ist, wird das ein oder andere Telefonat zeigen. Aber es gibt zumindest mal ein Licht am Ende des Tunnels. 

Es gibt echt schöne Ecken hier... - und viel Ruhe zum Reflektieren...

Gefühle. Schon die potentielle Bezugsperson behauptete, dass ich davor weg renne. Weil es ja auch wenig Positives zu fühlen gäbe. Und entweder ich drehe mich immer wieder in den Schmerz rein von Dingen, die ich nicht ändern kann, oder ich fühle eben gar nichts. Und trotzdem will es gefühlt werden. Was nicht selten diese unkontrollierten Zusammenbrüche nach sich zieht, wenn das Fass überläuft, ohne dass ich es merke.
„Sag mal Mondkind, wie machst Du das eigentlich alles ohne, dass Dich das völlig umhaut?“ Gerade bezogen auf die Familie habe ich die Frage öfter von Menschen aus dem Helfersystem gehört. Der ein oder andere hatte doch verstanden: Ich bin ein Familienmensch. Über die Jahre ist die immer mehr auseinander gebrochen, ohne dass ich nach außen hin daran zerbrochen bin. Und innerlich habe ich es nicht mitbekommen. 
Trotzdem tappt Mondkind immer und immer wieder in die gleiche Falle. Die eben doch zeigt, dass sie immer noch hofft. Seit der Aufnahme hatte es doch ein paar gute Telefonate mit der Mutter gegeben, die vielleicht Boden sein könnten. Für ein winziges Pflänzchen. Hoffnung, ohne dass ich es richtig gemerkt habe. Und irgendwann… - landen alle Worte wieder umgekehrt bei mir. Wie bei so einem Bumerang. Immer und immer dasselbe. Immer wieder. Bei jedem Versuch.
Zum ersten Mal seit Jahren verspüre ich wirklich tiefe Traurigkeit darüber. Was geworden ist. Aus einem „wir“. Falls es dieses „wir“ je gegeben hat. Und irgendwie verletzt es doch so sehr, dass so viele Bemühungen der letzten Jahre nur dem Versuch galten, eine Bezugsperson zu finden. Für Jeden, von dem ich das Gefühl hatte, dass der mittragen könnte, war der Schmerz zu viel. Den ich zwischen den Zeilen und Worten vielleicht mehr vermittelt habe, als ich ihn selbst gespürt habe.

Angst. Und Tränen. Streckenweise habe ich im Moment das Gefühl, ich könnte über alles weinen. Weil so vieles passiert ist, das so sehr verletzt hat, dass nur eine versteinerte Mondkind – Seele das aushalten konnte. Und wir mussten doch weiter. Vorwärts. Immer nur vorwärts.
Wie soll ich mich selbst je wieder zusammen bringen, wenn gerade so viel fällt? Und was soll das mit dem Fühlen mir bringen, wenn es nur weh tut...? Wie soll der Alltag funktionieren, der doch da draußen wartet, wenn die Seele so sehr weh tut, dass manchmal schon atmen schwierig ist? Fangen die mich hier auf? Können die das? Reichen noch knapp drei Wochen Nestschutz?

Die Oberärztin appelliert daran, mit dem Team zu reden, wenn es Probleme gibt. Das nicht mit mir selbst auszumachen. Aber wer will und kann die Geschichte einer Mondkind verstehen? Die nach außen so erfolgreich war und an der sie im Innen so zerbrochen ist? Und was gibt es dazu überhaupt zu sagen…? Vielleicht gibt es nur still zu sein und auszuhalten. Solange, bis aus der Traurigkeit, der Enttäuschung und der Wut ein neues Pflänzchen wächst. Das ganz vielleicht mal groß werden kann.

***
Und vielleicht singt Connie Talbot doch nicht nur über Träume. Vielleicht singt sie auch über die Menschen, die wichtig in unserem Leben waren und sind.

Eigentlich möchte ich Dir nur sagen… - ich bin nicht mehr Diejenige, die ich war, ohne Dich. Und gerade jetzt, in Zeiten, in denen ich das Gefühl habe, dass das Leben und ich selbst unter mir davon gleiten, möchte ich so gern glauben, dass Du immer noch irgendwo bist. Und ein bisschen auf mich aufpasst. Und ich… - ich passe ein bisschen auf Dich auf. Ich hoffe Du spürst, dass ich Dir noch ein bisschen von dieser Welt zeigen möchte.

Mondkind

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