Psychiatrie #34 Weißt Du Papa...


Zweiter Blogpost an einem Tag.
Da geht es Jemandem wohl nicht so gut…

Ich habe beschlossen eine Wein – Pause zu nutzen, um den Papa anzurufen. Er wollte sowieso noch ein Update.
Nicht so furchtbar wie das letzte Telefonat mit der Familie. Vielleicht nicht mal böse gemeint. Aber auch nicht schön. 

„Also Mondkind, Du bist ja jetzt schon das dritte Mal in der Psychiatrie. Und ich denke, Du hast Dich einfach nicht genug angestrengt…“
„Mondkind, Du musst – wenn Du wieder kommst – Dich einfach noch ein bisschen mehr anstrengen. Und vielleicht hast Du dann eine Chance, dass die den Vertrag nächstes Jahr verlängern…“
„Mondkind, hast Du Dir eigentlich schon Gedanken zum Thema Auto gemacht…?“
„Und Mondkind, das Wohnzimmer…“

Halleluja…

Ja, ich bin das dritte Mal in der Psychiatrie. Und nein, ich bin nicht stolz drauf. Aber weißt Du Papa, ich habe mich angestrengt. Weißt Du, wie viel Mühe Herr Therapeut hatte, mich endlich an die Klinik zu holen? Weißt Du, wie viele Monate wir ausschließlich darüber diskutiert haben? Weißt Du, dass ich wahrscheinlich daran gestorben wäre, wenn der Freund nicht vorher gestorben wäre und ich dadurch auch vom Außen zumindest ein bisschen geschubst wurde. (Bevor ich mir Gedanken über den Vertrag nächstes Jahr machen konnte…?).
Weißt Du Papa, wie sehr ich mich angestrengt habe, dass es irgendwie funktioniert? Wie oft ich die eigenen Grenzen einfach ignoriert habe? Wie oft ich einfach drüber gehüpft bin? Über Grenzen und Schatten? Und ob das wohl klappt, dass ich mich noch ein bisschen mehr anstrenge…?
Und weißt Du Papa, ich habe mir noch keine Gedanken zum Thema Auto gemacht. Und zum Thema Wohnzimmer auch nicht. Der Kopf ist dicht genug. Aber ja ich weiß… - ich muss das tun… 

So wäre das mal wünschenswert...


Und so oft frage ich mich, ob ich nicht einfach ein bisschen besser hätte durchhalten müssen. Ob ich nicht ein paar Belastungen mehr aushalten hätte müssen. Ob ich vielleicht einfach nicht stark und groß genug für diese Welt bin…
Ich habe es mir echt nicht ausgesucht. Wirklich nicht.

Und weißt Du Papa… - ich habe Angst. Ich habe Angst, dass man mir in einem Jahr dann vielleicht etwas wegnehmen kann, das ich bis dahin „zu Hause“ nenne. Dass ich das einfach so akzeptieren muss, weil einen Arbeitgeber das persönliche Wohlbefinden natürlich recht wenig interessiert. Den Job verlieren, bedeutet nämlich umziehen. Weg von dem Ort, in dem ich immer sein wollte.
Weißt Du Papa… - ich habe Angst. Dass diese Suche nie aufhört. Die schon so viele Jahre geht. Dass ich immer auf der Flucht bleibe. Immer heimatlos. Weil die Orte, die hätten ein zu Hause werden sollen, nie eines geworden sind. Und weil Orte, die ein zu Hause hätten werden können, eben einfach keins werden sollten.

Mondkind

Bildquelle: Pixabay

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