Weihnachten

Es ist mitten in der Nacht.
Ich bin seit Stunden wach. Das mit dem Schlafen ist sowieso immer so eine Sache; in Tagen wie diesen ganz besonders.
Ich höre den Freund neben mir atmen.
Und allein das ist ein Grund, um sich auch nicht mehr sehr viel Mühe beim Einschlafen zu geben.
Es ist, als müsste ich jeden Moment, den wir noch gemeinsam haben, genießen.
Es sind nicht mal mehr drei Tage, bis sich unsere Wege für immer trennen werden.
Ich weiß nicht, ob ihm das schon bewusst ist.
Dass ich das ernst meine. Dass wir uns nicht weiterhin sehen können, dass er sich – er behauptet immer noch er würde mich lieben – entscheiden muss, ob die Liebe für eine Beziehung reicht, oder nicht. Und da ich die Antwort kenne und auch nicht mehr glaube, dass er davon abweicht, wird das bedeuten, dass ich nicht mehr in die Nachbarstadt fahren werde, dass wir uns nicht mehr hören, sehen und spüren werden. Er hat offensichtlich seine Grenzen und ich habe die auch und scheinbar schließen die einen weiteren gemeinsamen Weg komplett aus. Bei ihm ist es eben nicht wie bei meinem Kumpel in der Studienstadt. Den ich als Freund total gern habe, aber mit dem ich eben nie eine Beziehung führen wollen würde.

Wir reden kaum, wenn wir Zeit zu Zweit verbringen.
Nur wenige Worte.
Aber viel gibt es da auch nicht mehr zu sagen.
Gestern hat er erklärt, dass eine Beziehung keinen Sinn macht, wenn es unglaublich viel Leid bedeutet. Ehrlich gesagt tut es weh zu hören, dass er mit mir gelitten hat. Aber offenbar leiden die meisten Menschen mit mir.
Der Herr Intensiv – Oberarzt meinte zwar, das sei die falsche Schlussfolgerung, aber ich sollte das mit den Beziehungen wohl auch nicht mehr versuchen. Das bringt nichts.
Der Freund meinte vor ein paar Tagen mal, dass er erleichtert ist, dass es ist, wie es ist. Wenn man sich da einfach raus nehmen kann und damit seinen Frieden findet, ist das zwar schön für ihn, aber blöd für mich. Ich habe nicht so viel gelitten, als wir zusammen waren. Aber ich kann das Leid jetzt eben nicht einfach beenden – also doch, kann ich schon. Aber das ist dann eben auch nicht mehr mit dem Weiterleben vereinbar.

Gestern waren wir bei einem alten Schulfreund vom Freund. Er hat mittlerweile eine Frau und zwei Kinder und abgesehen davon, dass Lautstärke und angeschlagene Psyche immer keine gute Kombi ist bei mir, ist mir auch irgendwie so klar geworden, dass ich das nie erleben werde. Eine Familie werde ich wohl nie haben können und schon mal gar nicht mit dem Mann, den ich gestern begleitet habe.
Im Sommer war das mal Thema. Ich habe mir mal überlegt, wenn wir heiraten würden, was wir mit unseren Nachnamen machen würden, die so viele Menschen falsch schreiben und falsch aussprechen. Ich würde meinen ungern hergeben, aber einen Doppelnamen draus zu machen, würde uns und anderen Menschen das Leben wohl echt schwer machen.
Naja… - auch darüber werden wir uns nie Gedanken machen müssen.

Krass, dass es nicht mal eine Woche her ist, dass wir noch zusammen durch den Wald gegangen sind und noch ein Paar waren. Das kam erst Samstagnachmittag von ihm, dass wir uns trennen müssen. Auch das ist etwas, das mein Oberarzt versucht mit auszureden, aber heute denke ich, ich hätte so viel mehr zurück stecken müssen, als ich es ohnehin getan habe. Ich glaube, in den letzten Wochen vor der Trennung war ich schon kratzbürstig, aber ich habe auch unendlich viel gearbeitet.  

Die Zuneigung wird indes auch weniger.
Vielleicht wird der letzte Kuss für immer derjenige gewesen sein, als ich am 21. Dezember abends das letzte Mal mit dem Auto in die Nachbarstadt gefahren bin. Ich warte immer drauf, aber da kommt nichts mehr. Und… - das ist ja schließlich auch mal irgendwo konsequent, das muss man ja auch zugeben.

Das Herz tut weh und langsam merke ich, wie das alles sehr empfindlich auf die Stimmung drückt. Das wird noch etwas bis Montag – und was danach passiert, ist mir eigentlich erstmal komplett egal. Eigentlich ist es richtig crazy. Dass ich praktisch nach der Trennung noch seine komplette Familie kennen lerne, gestern hat sein Freund ein bisschen von früher aus dem Nähkästchen geplaudert. Dass ich nochmal so viel über ihn lerne, wo er schon nicht mehr zu mir gehört. 

Ein altes Bild vom nahe gelegenen Weihnachtsmarkt


Und noch etwas wunderschönes am Rand: Die Mutter des verstorbenen Freundes hat mir gestern Abend geschrieben und ein Foto geschickt. Der Freund hat pünktlich zu Weihnachten ein Licht an sein Grab bekommen. Es hat mich berührt. Sie meinte dadurch, dass ich vor ein paar Monaten da war, habe ich ihr den Mut gegeben auch hinzugehen. Ihren Sohn nach über zwei Jahren wieder zu besuchen.

So, wir müssen jetzt noch los um einzukaufen.
Allen Lesern erstmal frohe Weihnachten.
Ich wünsche Euch, dass es bei Euch nicht mal ein Tausendstel so chaotisch ist, wie bei mir.


Mondkind


P.S. Sorry nochmal wegen der Bilder. Es geht gerade nicht anders. Ich habe kaum welche gemacht die letzten Wochen und mir war nicht klar, wie groß das Bedürfnis nach dem Bloggen sein würde...


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